Auswahlentscheidungen bei der Polizei über Beförderungsstellen sind in erster Linie anhand leistungsbezogener Erkenntnisse zu treffen. Die Beförderungsrichtlinien sind dann rechtsfehlerhaft, soweit sie sich bei dem Auswahlkriterium der Vorbeurteilungen auf den Vergleich der Vollnoten beschränken und nicht auch so genannte Binnendifferenzierungen berücksichtigt werden.
So die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in dem hier vorliegenden Fall eines Musterverfahrens, mit dem die Polizeidirektion Oldenburg gegen vier Beschlüsse vorgegangen ist, mit denen untersagt worden ist, mehrere Polizeikommissare zu Polizeioberkommissaren (Besoldungsgruppe A 10) zu befördern. Beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht sind noch weitere vergleichbare Beschwerdeverfahren anhängig, in denen sich die Polizeidirektionen Oldenburg und Lüneburg, die Zentrale Polizeidirektion und das Landeskriminalamt Niedersachsen dagegen wenden, dass die Verwaltungsgerichte Oldenburg, Lüneburg und Hannover ihre Beförderungsauswahlentscheidungen für rechtsfehlerhaft erachtet und zu Lasten der Polizeibehörden einstweilige Anordnungen erlassen haben.
In diesem Musterverfahren hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Beförderungsauswahlentscheidungen der Polizeidirektion rechtswidrig sind. In den für die Polizei des Landes Niedersachsen maßgeblichen Beförderungsrichtlinien ist geregelt, dass bei einer Auswahlentscheidung über eine Beförderungsstelle die Gesamtnoten der Bewerber in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen verglichen werden müssen. Sind diese – wie bei den an dem Beschwerdeverfahren beteiligten Polizeibeamten – im Wesentlichen gleich, müssen nach den Beförderungsrichtlinien die Vollnoten der Vorbeurteilungen der Bewerber miteinander verglichen werden. Sind diese ebenfalls gleich, wird die Auswahlentscheidung nach der auf den Beförderungsrichtlinien beruhenden Praxis der niedersächsischen Polizeibehörden nach so genannten Hilfskriterien, wie z. B. der Dauer der Tätigkeit im Amt des Polizeikommissars, getroffen.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Beförderungsrichtlinien für rechtsfehlerhaft erachtet, soweit sie sich bei dem Auswahlkriterium der Vorbeurteilungen auf den Vergleich der Vollnoten beschränken. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass Auswahlentscheidungen über Beförderungsstellen in erster Linie anhand leistungsbezogener Erkenntnisse zu treffen sind. Erst wenn die Bewerber im Wesentlichen gleich gut beurteilt sind, darf auf Hilfskriterien zurückgegriffen werden. Da die Polizeibeamten in ihren Vorbeurteilungen nicht nur Vollnoten, sondern innerhalb der Vollnoten auch so genannte Binnendifferenzierungen erhalten haben (oberer, mittlerer oder unterer Bereich), hätte die Polizeidirektion diese Binnendifferenzierungen auch bei ihren Auswahlentscheidungen berücksichtigen müssen. Denn die Binnendifferenzierungen innerhalb der Vollnoten bringen einen messbareren Bewertungsunterschied zum Ausdruck. Dies hat die Polizeidirektion nicht beachtet. Sie hat anstelle des Antragstellers Bewerber ausgewählt, die in ihren Vorbeurteilungen die Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ erhalten haben, obgleich der Antragsteller in seiner Vorbeurteilung die bessere Binnendifferenzierung „oberer Bereich“ erhalten hat.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. August 2012 – 5 ME 141/12