Der Dienstherr kann in seinen Beurteilungsrichtlinien ein Ankreuzverfahren für die Einzelbewertungen ohne zusätzliche individuelle textliche Begründungen vorsehen, sofern die Bewertungskriterien hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sind. Er muss aber auf Verlangen des Beamten die im Ankreuzverfahren vorgenommenen Einzelbewertungen im weiteren Verfahren plausibilisieren.
Im Unterschied zu den Einzelbewertungen bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung in der Regel einer gesonderten Begründung, um erkennbar zu machen, wie es aus den Einzelbegründungen hergeleitet wird. Einer Begründung bedarf es insbesondere dann, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorsehen. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt.
Aus der Neufassung des § 49 Abs. 1 BLV ergeben sich im Vergleich zur früheren Rechtslage keine erhöhten Anforderungen an die Abfassung dienstlicher Beurteilungen.
Beurteilung im Ankreuzverfahren[↑]
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung ist auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hingegen darf das Gericht nicht die fachliche und persönliche Beurteilung des Beamten durch seinen Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollziehen oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzen. Denn nur der für den Dienstherrn handelnde Vorgesetzte soll ein Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen des Amtes und der Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu1.
Nach § 21 Satz 1 BBG sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamtinnen und Beamten regelmäßig zu beurteilen. Die Vorschrift knüpft damit unmittelbar an die Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG an, gibt aber keine Maßgaben zur Ausgestaltung der dienstlichen Beurteilung vor. Hat der Dienstherr Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und auch mit den sonstigen gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen2.
Der Dienstherr kann in seinen Beurteilungsrichtlinien ein Ankreuzverfahren für die Einzelbewertungen ohne zusätzliche individuelle textliche Begründungen vorsehen, sofern die Bewertungsmerkmale hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sind. Wann Beurteilungsrichtlinien – insbesondere hinsichtlich der Anzahl der Bewertungsmerkmale – hinreichend differenziert sind, kann nicht generell festgelegt werden, sondern beurteilt sich nach der jeweiligen Ausgestaltung der Beurteilungsrichtlinien im konkreten Fall. Der Dienstherr muss aber auf Verlangen des Beamten die im Ankreuzverfahren vorgenommenen Einzelbewertungen im weiteren Verfahren plausibilisieren.
Dienstliche Beurteilungen sind zwar nicht am Maßstab des § 39 VwVfG zu messen, denn sie sind mangels Regelungswirkung keine Verwaltungsakte3. Ein Begründungserfordernis folgt aber aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG), dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG) und aus der Funktion der dienstlichen Beurteilung.
Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch Beamte (Art. 33 Abs. 4 GG) bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung voranzukommen. Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter miteinander ermöglichen. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält sie erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in den dienstlichen Beurteilungen anderer Beamter. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen4.
Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Sie müssen eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung vermitteln5. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, die Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen6
Welchen Spielraum der Dienstherr bei der Einführung von Beurteilungssystemen hat, welche Begründungspflichten ihn bei der Abfassung dienstlicher Beurteilungen treffen und wie weit Plausibilisierungen von Werturteilen im weiteren Verfahren noch möglich sind, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem grundlegenden Urteil vom 26.06.19807 entschieden. An diesen Grundsätzen – mit der Maßgabe einer vom Bundesverwaltungsgericht für geboten erachteten Modifikation betreffend das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung – ist festzuhalten. Die sich hieraus ergebenden Anforderungen an dienstliche Beurteilungen tragen gleichermaßen der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsstellung der zu beurteilenden Beamten (Art. 33 Abs. 2, Art.19 Abs. 4 GG) und dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Interesse an einer funktionsfähigen Verwaltung im Gewalten teilenden Rechtsstaat (Art.20 Abs. 1, Abs. 3 GG) Rechnung. Die vom Berufungsgericht aufgestellten, darüber hinausgehenden Anforderungen an die textliche Begründung der Note eines jeden Einzelmerkmals ohne Möglichkeit späterer Plausibilisierung durch den Dienstherrn verfehlen diesen sachangemessenen Ausgleich zwischen den vorbezeichneten Rechtsgütern und führen insbesondere bei Verwaltungszweigen mit großem Personalkörper zu einer übermäßigen Belastung des Dienstherrn. Im Einzelnen:
Der Dienstherr kann entsprechend seinen Vorstellungen über die Erfordernisse der ihm unterstellten Verwaltungen unterschiedliche Beurteilungssysteme einführen, einschließlich der Aufstellung einer Notenskala und der Festlegung, welcher Begriffsinhalt mit den einzelnen Notenbezeichnungen auszudrücken ist8. Das schließt die Möglichkeit ein, die Noten allein durch eine Zahl auszudrücken9. Maßgebend ist, dass nach dem Zusammenhang des Beurteilungssystems die Notenbezeichnung die Einschätzung der Leistungen des beurteilten Beamten durch den Dienstherrn im Verhältnis zu vergleichbaren anderen Beamten erkennen lässt und dass dieses Beurteilungssystem auf alle Beamten gleichmäßig angewendet wird, die bei beamtenrechtlichen Entscheidungen über ihre Verwendung und ihr dienstliches Fortkommen miteinander in Wettbewerb treten können9.
Innerhalb des normativ gezogenen Rahmens obliegt es grundsätzlich der Entscheidung des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen will. Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind dabei nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke und Einzelbeobachtungen während des Beurteilungszeitraumes beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form nebeneinander verwenden bzw. miteinander verbinden10.
Das Absehen von weitergehenden Begründungsanforderungen – namentlich bei den Einzelmerkmalen einer dienstlichen Beurteilung – ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass das Werturteil des Dienstherrn über das Leistungsbild eines Beamten sich im Laufe eines Beurteilungszeitraums aus einer Vielzahl tatsächlicher Vorgänge und Einzelmomente zusammensetzt, die zu einem Gesamteindruck verschmelzen. Wäre der Dienstherr gehalten, solche Vorgänge (jedenfalls beispielhaft) zu benennen, könnten hierdurch Einzelergebnisse, die für das Werturteil ohne selbstständig prägendes Gewicht waren, nachträglich eine Bedeutung gewinnen, die ihnen in Wahrheit nach der wertenden Erkenntnis des Dienstherrn nicht zukommen sollte. Zudem würde dies zu einem dauernden „Leistungsfeststellungsverfahren“ führen, das einen gänzlich unangemessenen und unvertretbaren Verwaltungsaufwand zur Folge hätte und für das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn abträglich wäre11.
Die verschiedene Art und Weise, in der dienstliche Beurteilungen inhaltlich gestaltet und abgefasst werden können, wirkt sich auf ihre gerichtliche Überprüfung insofern aus, als vom beklagten Dienstherrn die ihm obliegende Darlegung, dass er von einem „richtigen Sachverhalt“ ausgegangen ist, in einer der jeweiligen konkreten dienstlichen Beurteilung angepassten, mithin ebenfalls verschiedenartigen Weise zu fordern ist. Ein Rechtssatz, dass der Dienstherr im Streitfall stets verpflichtet sei, die Berechtigung einer von ihm erstellten dienstlichen Beurteilung durch Offenbarung der der Beurteilung zugrunde liegenden Tatsachen darzulegen und unter Beweis zu stellen, findet im geltenden Recht keine Stütze. Der dem Beamten durch Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierte effektive Rechtsschutz gegen fehlerhafte dienstliche Beurteilungen wird vielmehr in einer differenzierteren, in dem erwähnten Grundsatzurteil dargestellten und den beiderseitigen Belangen Rechnung tragenden Weise sichergestellt12.
Hiernach muss der Beamte Werturteile in dienstlichen Beurteilungen, sofern sie fehlerhaft sind und ihn deshalb in seinen Rechten verletzen, nicht widerspruchslos und ohne wirksame Abhilfemöglichkeit hinnehmen. Schon die dienstliche Beurteilung selbst muss in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst werden. Sodann gibt die Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung Gelegenheit, dem Beamten die Ergebnisse der dienstlichen Beurteilung sowie einzelne Werturteile und ihre Grundlagen näher zu erläutern. Hält der Beamte die Beurteilung oder einzelne in ihr enthaltene Werturteile auch danach noch für sachlich nicht gerechtfertigt, so kann er die Beseitigung oder Änderung der Beurteilung oder die Erstellung einer neuen Beurteilung beantragen und – sofern nicht landesgesetzlich ausgeschlossen – einen entsprechenden Widerspruch erheben. Der Dienstherr muss dann allgemeine und pauschal formulierte Werturteile erläutern, konkretisieren und dadurch plausibel machen. Dies kann er durch Anführung von tatsächlichen Vorgängen, aber auch von weiteren konkretisierenden (Teil-)Werturteilen tun. Entscheidend ist, dass das Werturteil keine formelhafte Behauptung bleibt, sondern dass es für den Beamten einsichtig und für außenstehende Dritte nachvollziehbar wird, dass der Beamte die tragenden Gründe und Argumente des Dienstherrn erfährt und für ihn der Weg, der zu dem Werturteil geführt hat, sichtbar wird. Erst dann kann der Beamte beurteilen, ob er mit Aussicht auf Erfolg um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen kann. Nur auf der Grundlage solcher Erläuterungen und Konkretisierungen können die Gerichte nachprüfen, ob der Dienstherr bei der Abgabe der dienstlichen Beurteilung bzw. einzelner in ihr enthaltener Werturteile von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt hat oder allgemein gültige Wertmaßstäbe verletzt hat. Macht der Dienstherr in der geschilderten Weise seine Werturteile plausibel und nachvollziehbar, so wird dadurch dem Anspruch des Beamten auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art.19 Abs. 4 Satz 1GG) in einem ausreichenden und zugleich praktikablen, d.h. eine Überforderung des Dienstherrn vermeidenden, Umfang genügt13.
Hat der Dienstherr auch in dem Verwaltungsverfahren allgemein gehaltene Werturteile nicht oder nicht ausreichend erläutert, so bestehen grundsätzlich keine Bedenken, dass er diese Plausibilisierung noch im Verwaltungsstreitverfahren nachholt. Allerdings kann dann Anlass bestehen, dem beklagten Dienstherrn, auch wenn er obsiegt, gemäß § 155 Abs. 4 VwGO die Kosten des Verwaltungsstreitverfahrens aufzuerlegen14.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat unter Hinweis auf das BVerwG, Urteil vom 26.06.198015 angenommen, dass die allgemeine Verwaltungspraxis im Beurteilungswesen mit der Möglichkeit, Änderungen oder Konkretisierungen von pauschalen Tatsachen und zu pauschalen Werturteilen zu verlangen, ausreichenden Grundrechtsschutz im Verfahren gewährleistet16.
Auch § 49 Abs. 1 BLV, wonach in der dienstlichen Beurteilung die fachliche Leistung des Beamten „nachvollziehbar darzustellen“ ist, steht der Zulässigkeit eines Ankreuzverfahrens bei Einzelbewertungen in dienstlichen Beurteilungen nicht entgegen. Unbeschadet der Frage, ob das Bundesbeamtengesetz eine Verordnungsermächtigung für die inhaltliche Ausgestaltung der dienstlichen Beurteilung enthält (vgl. § 21 Satz 2 BBG), ist mit der Novellierung der Bundeslaufbahnverordnung jedenfalls keine inhaltliche Änderung verbunden.
Mit der bei der Neufassung der Bundeslaufbahnverordnung im Jahre 2009 in § 49 Abs. 1 BLV gewählten Formulierung bezog sich der Verordnungsgeber lediglich auf die in der Rechtsprechung formulierten Anforderungen an die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung. Danach müssen dienstliche Beurteilungen in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst werden17. Eine Auswahlentscheidung im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG muss auf der Grundlage „inhaltlich aussagekräftiger“ dienstlicher Beurteilungen erfolgen18. Diese in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen hat der Verordnungsgeber mit der Neufassung des § 49 BLV nachgezeichnet. Eine Verschärfung dieser Anforderungen lässt sich weder dem Wortlaut des § 49 BLV noch der Begründung des Bundesministeriums des Innern zu dieser Norm entnehmen, die darauf abstellt, dass die dienstliche Beurteilung stärker als bisher die fachliche Leistung (gegenüber Eignung und Befähigung) in den Vordergrund stelle. Hätte der Verordnungsgeber höhere Anforderungen an die Darstellung der fachlichen Leistung in der dienstlichen Beurteilung begründen wollen, als die Rechtsprechung den normativen Regelungen entnahm – also etwa die Notwendigkeit, Einzelbewertungen textlich zu begründen, wäre dies durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck gebracht worden.
Abgesehen davon kann auch eine durch entsprechende Vorgaben in einer Beurteilungsrichtlinie – mittels sogenannter Ankertexte – textlich unterlegte Bewertung einer hinreichend großen Anzahl von Beurteilungsmerkmalen in einem ausdifferenzierten Punkte- oder Buchstabensystem als „nachvollziehbare Darstellung“ qualifiziert werden. Wenn sowohl die Einzelmerkmale als auch die Bewertungsstufen (Punkte oder Buchstaben) textlich definiert sind, ist sichergestellt, dass die Beurteiler wissen, worüber und nach welchen Maßstäben sie urteilen. Mit Hilfe dieser Ankertexte können die im Ankreuzverfahren erstellten dienstlichen Beurteilungen auch als Fließtexte dargestellt werden.
Ausgehend von diesem Maßstab ist das Ankreuzverfahren für Beamte der Zollverwaltung nach den Vorgaben der Richtlinien für die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten der Zollverwaltung und der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein – BRZV – vom 23.06.2010 rechtlich nicht zu beanstanden. Die dort aufgeführten 24 oder – bei Führungskräften – 29 Einzelmerkmale, die jeweils textlich definiert sind und nach einer ebenfalls textlich vorgegebenen 6-teiligen Bewertungsskala anzukreuzen sind, ermöglichen die erforderliche nachvollziehbare Darstellung der fachlichen Leistung der Beamten. Bei Nachfragen und Rügen der Beamten bezüglich einzelner Bewertungen haben Plausibilisierungen nach Maßgabe der im BVerwG-Urteil vom 26.06.198015 entwickelten und oben dargestellten Grundsätze zu erfolgen. Dabei hängen die Anforderungen an die Plausibilisierung auch davon ab, wie substanziiert die Einzelbewertungen von den Beamten in Frage gestellt werden.
Begründung für das Gesamturteil[↑]
Im Unterschied zu den Einzelbewertungen bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung in der Regel einer gesonderten Begründung, um erkennbar zu machen, wie es aus den Einzelbegründungen hergeleitet wird.
Dem gesetzlichen Regelungssystem in § 21 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG liegt die Vorstellung zugrunde, dass die dienstliche Beurteilung an den Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zu orientieren ist, damit sie die Grundlage für nachfolgende Auswahlentscheidungen darstellen kann19. Der Dienstherr kann aber nur dann auf die dienstliche Beurteilung als maßgebliche Entscheidungsgrundlage seiner Auswahl abstellen, wenn sich hieraus verlässliche Bewertungen für die Ämtervergabe ergeben20.
Wie die einzelnen Auswahlkriterien zu gewichten sind, gibt Art. 33 Abs. 2 GG nicht unmittelbar vor. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ist es daher Sache des Dienstherrn, festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will21. Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden22. Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann.
Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dies erfordert keine Folgerichtigkeit nach rechnerischen Gesetzmäßigkeiten, etwa in der Art, dass die Gesamtwertung das arithmetische Mittel aus den Einzelnoten sein muss. Vielmehr ist umgekehrt die rein rechnerische Ermittlung des Gesamturteils ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage sogar unzulässig. Sie verbietet sich bei dienstlichen Beurteilungen, bei denen die Bildung eines Gesamturteils vorgesehen ist, mit dem die Einzelwertungen in einer nochmaligen eigenständigen Wertung zusammengefasst werden. Denn bei der Bildung des Gesamturteils wird die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch eine entsprechende Gewichtung berücksichtigt23.
Ein individuelles Begründungserfordernis für das Gesamturteil rechtfertigt sich auch aus dessen besonderer Bedeutung als primär maßgebliche Grundlage bei einem späteren Leistungsvergleich in einem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlverfahren24. Dies gilt insbesondere bei Bewerbern mit im Wesentlichen gleichem Gesamturteil. Denn hier muss der Dienstherr im Auswahlverfahren die für das Beförderungsamt wesentlichen Einzelaussagen der dienstlichen Beurteilungen weiter vergleichen25 und die Auswahl der Gesichtspunkte, auf die bei gleicher Eignung abgestellt werden soll, begründen26.
Außerdem sind die Gesichtspunkte, die das Absehen von einer individuellen, einzelfallbezogenen Begründung bei den Einzelbewertungen tragen, beim Gesamturteil nicht einschlägig. Vor allem ist weder ein dauerndes Leistungsfeststellungsverfahren noch ein unangemessener und unvertretbarer Verwaltungsaufwand noch eine Erschütterung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses zwischen Beamten und Dienstherrn zu besorgen; das zeigt sich im Übrigen schon daran, dass Beurteilungsrichtlinien vielfach – wie z.B. auch die ältere Fassung der BZRV – eine individuelle Begründung des Gesamturteils vorsehen. Auch der Gesichtspunkt, dass der beurteilte Beamte u.U. selbst ein Interesse daran hat, keine zu detaillierten Begründungen weniger positiver Einzelbewertungen in seiner dienstlichen Beurteilung zu lesen, entfällt beim Gesamturteil.
Einer – ggf. kurzen – Begründung bedarf es insbesondere dann, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorsehen. Denn hier muss erläutert werden, wie sich die unterschiedlichen Bewertungsskalen zueinander verhalten und wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen gebildet wurde.
Im Übrigen sind die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt.
Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall einer gesonderten Begründung des Gesamturteils. Dies folgt schon daraus, dass die BZRV in der ab dem Jahre 2010 geltenden Fassung für Einzelbewertungen eine 6-teilige Skala von sog. Ausprägungsgraden von A bis F, für das Gesamturteil aber eine 5-teilige Skala von Notenstufen von „Herausragend“ bis „Nicht oder nicht in vollem Umfang den Anforderungen entsprechend“ zur Verfügung stellt, wobei Letztere ihrerseits durch eine Binnendifferenzierung zwischen 0 und 15 Punkten ergänzt wird. Zwar gibt es eine nachvollziehbare Möglichkeit, diese – die Bildung eines Gesamturteils (unnötig) erschwerende – Inkongruenz der beiden Bewertungsskalen aufzulösen: So wäre es denkbar, die vier Ausprägungsgrade A – D (bei den Einzelmerkmalen) den ersten vier Notenstufen des Gesamturteils zuzuordnen, sodann aber die schlechteste (fünfte) Notenstufe des Gesamturteils in der Weise „aufzuspalten“, dass eine „nicht in vollem Umfang den Anforderungen entsprechende Leistung“ in der Skala der Einzelbewertungen dem (fünften) Ausprägungsgrad E („schwach ausgeprägt“) und eine (gänzlich) „nicht den Anforderungen entsprechende Leistung“ dem (sechsten) Ausprägungsgrad F („sehr schwach ausgeprägt“) zugeordnet wird. Die hiernach generell mögliche Übertragung der Bewertungen der Einzelmerkmale in die Bewertungsskala für das Gesamturteil erfordert aber für den jeweiligen Einzelfall eine Begründung. Dies gilt umso mehr, als die Herleitung des Gesamturteils hier zusätzlich dadurch erschwert wird, dass die jeweilige Beurteilungsstufe weiter binnendifferenziert ist; so umfasst z.B. die – im vorliegenden Fall vergebene – Stufe „In vollem Umfang den Anforderungen entsprechend“ den Bereich von 7 bis 9 Punkten. Außerdem ist das sich aus den Einzelbewertungen ergebende Leistungsbild des Beamten uneinheitlich. Ein Ausnahmefall, in dem eine Begründung für das Gesamturteil entbehrlich ist, weil im konkreten Fall sich die vergebene Note geradezu aufdrängt, ist deshalb nicht gegeben.
Beurteilungsrichtlinie 2010[↑]
Dass im hier entschiedenen Fall die dienstliche Beurteilung für den gesamten Beurteilungszeitraum nach der Fassung der Beurteilungsrichtlinie aus dem Jahre 2010 erstellt wurde, ist für das Bundesverwaltuangsgericht nicht zu beanstanden.
Eine dienstliche Beurteilung ist einheitlich für den gesamten Beurteilungszeitraum nach neugefassten Beurteilungsrichtlinien zu erstellen, wenn diese das vorsehen. Dies gilt auch dann, wenn die zu beurteilenden Leistungen zum größten Teil unter Geltung der früheren Beurteilungsrichtlinie erbracht wurden. Maßgebend ist allein, welches Beurteilungssystem zum Beurteilungsstichtag gegolten hat27.
Selbst wenn eine Beurteilungsrichtlinie noch nicht in Kraft getreten ist, aber einheitlich für alle Beamten bereits angewendet wird, führt dies nicht zur Fehlerhaftigkeit der dienstlichen Beurteilungen. Denn bei dienstlichen Beurteilungen ist ungeachtet des Wortlauts von Beurteilungsrichtlinien entscheidend, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sind und gleich angewandt werden. Maßgeblich ist die Verwaltungspraxis28.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27.2014 –
- stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 05.09.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106, 109; BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 246[↩]
- stRspr, BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 – 2 A 10.13, BVerwGE 150, 359 Rn. 14 m.w.N.[↩]
- stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 09.11.1967 – 2 C 107.64, BVerwGE 28, 191, 192 f.; und vom 13.11.1975 – 2 C 16.72, BVerwGE 49, 351, 353 ff.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.09.2012 – 2 A 2.10, NVwZ-RR 2013, 54 Rn. 9[↩]
- BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03 – BVerfGK 1, 292, 296 f.; und vom 07.03.2013 – 2 BvR 2582/12, NVwZ 2013, 1603 Rn. 21[↩]
- stRspr, BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 – 2 A 10.13, BVerwGE 150, 359 Rn. 21 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 247 ff.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.1981 – 2 C 8.79, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 1 S. 1 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 31.01.1994 – 2 B 5.94, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 16 S. 1[↩][↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 247 m.w.N.[↩]
- zu all dem ausführlich BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 248 ff.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 247 f.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 251 f.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 252[↩]
- BVerwG, a.a.O.[↩][↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.05.2002 – 2 BvR 723/96, NVwZ 2002, 1368[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245, 251[↩]
- stRspr, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 27.05.2013 – 2 BvR 462/13 – IÖD 2013, 182, 183 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 19.12 2014 – 2 VR 1.14, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 22 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 05.09.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106, 109; und vom 11.05.2011 – 2 BvR 764/11 – BVerfGK 18, 423, 427 f.; BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 138, 102 Rn. 46[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 05.09.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106, 108[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 05.09.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106, 108; und vom 17.01.2014 – 1 BvR 3544/13 15[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 25.10.2011 – 2 VR 4.11, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50 Rn. 15 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 21.03.2007 – 2 C 2.06, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 27 Rn. 14 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13, BVerwGE 147, 20 Rn. 21[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 05.09.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106, 108; und vom 04.10.2012 – 2 BvR 1120/12 – BVerfGK 20, 77, 81[↩]
- BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 138, 102 Rn. 46[↩]
- BVerwG, Urteil vom 02.03.2000 – 2 C 7.99, Buchholz 237.8 § 18 RhPLBG Nr. 1 S. 2; Beschluss vom 14.02.1990 – 1 WB 181.88, BVerwGE 86, 240, 242[↩]
- BVerwG, Urteile vom 30.04.1981 – 2 C 26.78, Buchholz 232 § 8 BBG Nr.20 S. 13 f.; und vom 02.03.2000 – 2 C 7.99, Buchholz 237.8 § 18 RhPLBG Nr. 1 S. 3[↩]