Eine Zuständigkeit „verschiedener Gerichte“ i. S. d. § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO besteht nicht, wenn das Prozessrecht eine widerspruchsfreie Zuweisung der örtlichen Zuständigkeit beinhaltet.
In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall stand der im Land Brandenburg, in Forst, wohnhafte Kläger bis zu seiner von ihm beantragten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des 31.12.2022 im Dienst des Landes Brandenburg. Er durchlief eine Ausbildung für die Laufbahn des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes bei Justizvollzugsanstalten, deren praktischen Teil er im Land Brandenburg absolvierte. Die theoretische Laufbahnausbildung fand an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen statt. Mit Bescheid vom 27.10.2022 teilte das Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen (LJPA NW) dem Kläger mit, dass er die Laufbahnprüfung für den gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst bei Justizvollzugsanstalten nicht bestanden habe. Den weiteren Vorbereitungsdienst habe der Prüfungsausschuss auf neun Monate bemessen. Zur weiteren Ausbildung werde er für die vorgenannte Dauer in den Vorbereitungsdienst zurückverwiesen. Den Widerspruch des Klägers wies das beklagte Land Nordrhein-Westfalen mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2023 zurück. Die hiergegen vom Kläger im November 2023 erhobene Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig.
Nach Anhörung der Beteiligten zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Cottbus hat der Beklagte beim Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Verwaltungsgerichts gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte den Antrag ab:
Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Antrag zwar zuständig, weil die vom Beklagten als möglicherweise zuständig betrachteten Verwaltungsgerichte Cottbus und Düsseldorf in verschiedenen Bundesländern ansässig sind und das Bundesverwaltungsgericht damit das gemeinsame nächsthöhere Gericht ist1. Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesverwaltungsgericht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 1 VwGO das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen hat, sind jedoch nicht erfüllt.
Nach § 53 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann jeder am Rechtsstreit Beteiligte – mithin auch das beklagte Land – sowie jedes mit dem Rechtsstreit befasste Gericht das im Rechtszug höhere Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht anrufen. Nach dem hier allein in Erwägung zu ziehenden § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO wird, sofern sich der Gerichtsstand nach § 52 VwGO richtet, das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit allerdings nur dann durch das nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte in Betracht kommen. Dies ist nicht der Fall, wenn lediglich rechtliche Zweifel über die Zuständigkeit bestehen, die durch Auslegung der Zuständigkeitsregelungen beseitigt werden können2.
Ausgehend hiervon scheidet eine Zuständigkeitsbestimmung durch den beschließendas Bundesverwaltungsgericht aus, weil das Prozessrecht eine widerspruchsfreie Zuweisung der örtlichen Zuständigkeit beinhaltet. Örtlich zuständiges Gericht ist nach § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO (allein) das Verwaltungsgericht Düsseldorf, in dessen Bezirk das LJPA NW seinen Sitz (Düsseldorf) hat.
Für die Klage aus einem früheren Beamtenverhältnis richtet sich der Gerichtsstand nach § 52 Nr. 4 VwGO. Nach dessen Satz 1 ist – soweit hier von Relevanz – für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamtenverhältnis das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Satz 2 enthält hiervon eine Ausnahme insofern, als der Sitz der Behörde innerhalb des Gerichtsbezirks maßgebend sein soll, wenn der Kläger keinen dienstlichen oder bürgerlichen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde hat, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Die Regel (§ 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO) gilt dann, wenn nicht die Ausnahme (§ 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO) zutrifft. Die grundsätzliche Anknüpfung des Gerichtsstands an den Wohnsitz des Klägers entfällt demnach, wenn der Kläger keinen dienstlichen Wohnsitz und keinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich der Behörde hat3.
Maßgeblicher Bezugspunkt ist nach § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG der Zeitpunkt der Klageerhebung4. Ob anderes gelten muss, wenn gerade diejenige Maßnahme im Streit steht, die den dienstlichen Wohnsitz betrifft5, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Anders als im Fall der Feststellung eines endgültigen Nichtbestehens der Laufbahnprüfung, das zu einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis kraft Gesetzes (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBG BB) und in der Folge zu einem Wegfall des dienstlichen Wohnsitzes führt, lässt die streitgegenständliche Verfügung das Beamtenverhältnis und den dienstlichen Wohnsitz des Klägers unberührt.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im November 2023 verfügte der Kläger gleichwohl nicht mehr über einen dienstlichen Wohnsitz, weil er – auf eigenen Antrag – mit Ablauf des 31.12.2022 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen worden ist6.
Der Kläger hatte auch keinen bürgerlichen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des LJPA NW.
Aus dem Umstand, dass die Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen auch für Studenten zuständig ist, die auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Fachhochschulen für den öffentlichen Dienst im Land Nordrhein-Westfalen i. d. F. der Bekanntmachung vom 29.05.19847, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 23.06.20218, i. V. m. der – nach dem Vortrag des Beklagten auch insoweit maßgeblichen – Verwaltungsvereinbarung über die Ausbildung von Beamten für die Laufbahn des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes an der Fachhochschule für Rechtspflege Bad Münstereifel zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Freien Hansestadt Bremen, dem Land Hessen, dem Land Niedersachsen, dem Land Rheinland-Pfalz, dem Saarland sowie dem Land Schleswig-Holstein i. d. F. der Bekanntmachung vom 11.12.19799 zugelassen worden sind und im Vorbereitungsdienst eines anderen Bundeslandes stehen, folgt ebenso wenig wie aus der Tatsache, dass nach § 15 Satz 1 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes bei Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg (Ausbildungs- und Prüfungsordnung gehobener Vollzugs- und Verwaltungsdienst – APOgVVD) i. d. F. der Bekanntmachung vom 22.08.201910 die Laufbahnprüfung vor dem LJPA NW abgelegt wird, dass sich der Zuständigkeitsbereich des LJPA NW auch auf das Land Brandenburg erstreckt.
Eine wie auch immer geartete Zuständigkeit des LJPA NW, welches nach § 3a Satz 1 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen i. d. F. der Bekanntmachung vom 26.01.201011 an das für Justiz zuständige Ministerium angegliedert ist, für den Bereich des Landes Brandenburg ist hiermit nicht verbunden. Insbesondere nimmt das LJPA NW keine Zuständigkeiten über die Grenzen des Landes Nordrhein-Westfalen hinaus wahr und steht ihm nicht das Recht zum Erlass eines Verwaltungsakts für den Bezirk eines anderen Bundeslandes zu (vgl. § 52 Nr. 3 VwGO; s. auch Redeker/von Oertzen, VwGO, 17. Aufl.2022, § 52 Rn. 15; Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand März 2023, § 52 Rn. 33). Aus der in Bezug genommenen Verwaltungsvereinbarung ergibt sich nichts anderes.
Dies stimmt mit Sinn und Zweck des § 52 Nr. 4 VwGO überein. Denn mit Blick auf den föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich als Landesgerichtsbarkeit ausgestaltet. Dies schließt es im Grundsatz aus, dass über die Verwaltungstätigkeit eines Landes im Zusammenhang mit Dienstverhältnissen i. S. d. §?52 Nr.?4 Satz?1 VwGO Gerichte eines anderen Landes befinden12. Vor diesem Hintergrund tritt die zugunsten des Beamten bestehende (weitere) gesetzgeberische Zielvorstellung, dass dieser die „Klage bei einem Gericht anbringen kann, das für ihn leicht erreichbar ist“13, zurück.
Hingegen ergibt sich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nicht aus dem gegenüber § 52 Nr. 4 VwGO subsidiären § 52 Nr. 3 VwGO. Denn § 52 Nr. 4 VwGO ist weit zu verstehen und umfasst auch die auf die Entstehung oder den Fortbestand des Beamtenverhältnisses bezogenen Prüfungen14.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juli 2024 – 2 AV 1.24
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 02.07.2019 – 1 AV 2.19 2; und vom 28.11.2022 – 10 AV 2.22 2[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19.07.1979 – 6 ER 400.79, BVerwGE 58, 225 <228> vom 11.06.1981 – 2 ER 401.81, Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 22 S. 3; vom 12.10.2010 – 2 AV 1.10 4; vom 01.06.2011 – 2 AV 1.11 4; und vom 18.04.2019 – 2 AV 1.19, Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 42 Rn. 6[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 16.04.1970 – 8 C 146.67, BVerwGE 35, 141 <142 f.> Beschlüsse vom 19.07.1979 – 6 ER 400.79, BVerwGE 58, 225 <229> und vom 11.06.1981 – 2 ER 401.81, Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 22 S. 4[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 16.04.1970 – 8 C 146.67, BVerwGE 35, 141 <142 > Beschlüsse vom 10.01.2023 ?- 2 A 4.22 15; und vom 05.02.2024 – 1 AV 1.23 7[↩]
- vgl. hierzu etwa VG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 23.02.2022 – 2 L 418/21 4 einerseits sowie VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.10.2022 – 6 K 3097/22 4 ff. anderseits[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 31.10.2001 – 2 C 37.00 12[↩]
- GV NW S. 303[↩]
- GV NW S. 762[↩]
- JMBl. NW 1980 S. 14[↩]
- GVBl. II Nr. 64[↩]
- GV. NRW S. 30[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11.06.1981 – 2 ER 401.81, Buchholz 310 §?52 VwGO Nr.?22 S. 4; und vom 24.02.1988 – 2 ER 401.87, Buchholz 310 §?53 VwGO Nr.?15 S. 2; s. a. Beschluss vom 05.02.2024 – 1 AV 1.23, NVwZ 2024, 844 = juris jeweils Rn. 12[↩]
- vgl. BT-Drs. 3/1094 S. 6 zu § 53 VwGO[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.2023 – 2 A 4.22, NVwZ 2023, 511 = juris jeweils Rn. 15[↩]