Um eine Videoüberwachung i.S.d. § 6b Abs. 1 BDSG, bei der personenbezogene oder zumindest personenbeziehbare Daten erhoben werden, handelt es sich auch dann, wenn die Erfassung von Personen eine lediglich (unvermeidliche) Nebenfolge des eigentlich Gewollten und sogar unerwünscht ist. Zeichnen Webcams zum Zwecke der Werbung und Information potentieller Urlaubsgäste im Umfeld von Ferienwohnungen öffentlich zugängliche Bereiche auf, sind sich dort aufhaltende Personen zumindest bestimmbar und wird gleichzeitig das Abrufen der Aufzeichnungen über das Internet (per Livestream) ermöglicht, ist dies nicht nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig.
Nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG kann die Aufsichtsbehörde zur Gewährleistung der Einhaltung dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder technischer oder organisatorischer Mängel anordnen.
Die Vorschrift ist hier gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2 BDSG anwendbar. Danach ist der Anwendungsbereich des § 38 BDSG umfassenden Abschnitts eröffnet, soweit personenbezogene Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen durch nicht-öffentliche Stellen zumindest verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden. Die Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Die Aufnahmen mit den betreffenden Webcames enthalten personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG. Danach sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Grundsätzlich ist die Bestimmbarkeit einer Person dann zu bejahen, wenn deren Gesicht auf den Aufnahmen erkennbar wird. Allerdings können auch zusätzliche Kriterien zu einer Bestimmbarkeit führen. Dies gilt vor allem für das sonstige Körperbild einer Person, wie die Körperhaltung, die Kleidung oder die mitgeführten Gegenstände. Darüber hinaus sind auch Zeitpunkt und Ort der Aufnahme geeignet, um Rückschlüsse auf eine Person ziehen zu können. Eine Identifizierung muss zumindest mit weiteren Hilfsmitteln mit noch verhältnismäßigem Aufwand möglich sein1. Dies ist vorliegend der Fall.
Die im vorliegenden gerichtlichen Verfahren vorgelegten Aufzeichnungen der Webcams2 ergibt sich, dass Personen danach auf dem betreffenden Teil des Fahrradweges, der Strand-Promenade sowie im vorderen, den Webcams zugewandten Bereich des Strandes und des Bootshafens /der Marina zumindest bestimmbar waren, zumal die Rekombinationsmöglichkeiten durch die vom Vermieter ermöglichten Zugriffsmöglichkeiten auf die Videoaufzeichnungen via Internet3 noch erhöht wurden. So kann schon die bloße Aufnahme einer Sache zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort Informationen über eine natürliche Person offenbaren. Selbst Aufnahmen, die keine Personen oder zu diesen in Beziehung stehende Sachen zeigen, können durch die Information, dass sich niemand in einem bestimmten Gebiet befindet, im konkreten Einzelfall personenbezogen sein4. Auf eine tatsächlich erfolgreiche Identifizierung im Einzelfall kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Erst wenn etwa durch technische Vorkehrungen die Anonymität der möglicherweise aufgezeichneten Personen gewährleistet ist, fehlt es am Erheben personenbezogener oder zumindest personenbeziehbarer Daten. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Dem Vermieter kann nicht darin gefolgt werden, dass es sich um Panorama-Aufnahmen handele, welche die Landschaft und das aktuelle Wetter zeigen sollen und bei denen „zufällig erfasste“ Personen schon deshalb, weil die Bilder bei einer niedrigen Auflösung klein gehalten seien, bewusst keine Zoomfunktion installiert sei und Gesichter nicht erkennbar seien, unkenntlich seien. Ohne dass es darauf noch ankommt, weist der Vermieter auf Schildern, die am Grundstückszaun angebracht sind, im Übrigen selbst darauf hin, dass „der gesamte Hafenbereich und alle Anliegergrundstücke videoüberwacht werden“.
Die personenbezogenen Daten wurden hier zwar nicht unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben, da die Webcams des Vermieters nicht als Datenverarbeitungsanlage einzustufen sind5. Das bloße Aufzeichnen und Abspielen von Videosequenzen ist keine automatisierte Verarbeitung, solange dies – wie im vorliegenden Fall – nicht im Rahmen eines automatischen Verarbeitungssystems erfolgt, das zwischen den Daten verschiedener Personen unterscheiden und darauf aufbauend die Verarbeitung steuern kann6. Die personenbezogenen Daten werden hier jedoch in nicht automatisierten Dateien genutzt und dafür erhoben. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG ist eine nicht automatisierte Datei jede nicht automatisierte Sammlung personenbezogener Daten, die gleichartig aufgebaut und nach bestimmten Merkmalen zugänglich ist und ausgewertet werden kann. Bei reinen Videoaufzeichnungen ohne ergänzende Informationen wird es wohl an einer Zugänglichkeit nach bestimmten Merkmalen fehlen7. Werden den Bildaufzeichnungen allerdings weitere Informationen, wie Uhrzeit, Datum oder eventuell Standort, beigefügt, ist von einer Zugänglichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG auszugehen. Dies ist vorliegend zumindest im Hinblick auf die Einstellung der Aufnahmen in das Internet8, die mit orts- und Zeitangabe versehen werden, der Fall. Damit liegen hier nicht automatisierte Dateien vor.
Die personenbezogenen Daten werden in den nicht automatisierten Dateien zumindest genutzt und dafür erhoben. Erheben ist nach § 3 Abs. 3 BDSG das „Beschaffen von Daten über den Betroffenen“, was hier durch die laufenden Aufzeichnungen mit den Webcams geschieht. Gemäß § 3 Abs. 5 BDSG ist nutzen jede Verwendung personenbezogener Daten, soweit es sich nicht um Verarbeitung handelt. Dadurch, dass der Vermieter es Interessenten ermöglicht, die Aufzeichnungen über das Internet mitzuverfolgen, gegebenenfalls sogar aufzunehmen, nutzt er die darin enthaltenen personenbezogener Daten in einer Weise, die keine Verarbeitung im Sinne des § 3 Abs. 4 BDSG darstellt. Auf die Frage, ob für diese Zwecke eine zumindest vorübergehende Zwischenspeicherung erfolgt, kommt es dabei nicht an.
Der Vermieter ist als natürliche Person zudem eine nicht-öffentliche Stelle gemäß § 2 Abs. 4 BDSG, da er keine hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
Die Anwendung des § 38 Abs. 5 BDSG ist insbesondere auch nicht nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausgeschlossen, weil die Daten nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erhoben und genutzt werden.
Nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG getroffen hat der Antragsgegner Maßnahmen zur Beseitigung von materiellen Rechtsverstößen. Er ist hier – auch ungeachtet des Wohnsitzes des Vermieters in A-Stadt – als Aufsichtsbehörde dafür gemäß § 38 Abs. 1, 6 BDSG in Verbindung mit § 33a DSG M-V, § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 VwVfG M-V zuständig.
Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die im Bescheid vom 08.04.2015 getroffenen Anordnungen liegen vor. Die Videoaufzeichnungen und deren Zugänglichmachung über das Internet durch den Vermieter stehen in Widerspruch zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen.
Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Danach bedarf die Erhebung und Nutzung solcher Daten einer besonderen Rechtfertigung entweder in Form einer wirksamen Einwilligung durch den Betroffenen oder durch eine Rechtsvorschrift. Daran fehlt es hier.
Eine wirksame Einwilligung, die den Anforderungen des § 4a Abs. 1 BDSG genügt, durch die von der Beobachtung und Zugänglichmachung über das Internet Betroffenen liegt ersichtlich nicht vor. Davon betroffen sind alle diejenigen Personen, die sich auf dem betreffenden Teil des Fahrradweges, der Strand-Promenade sowie im vorderen, den Webcams zugewandten Bereich des Strandes und des Bootshafens /der Marina aufhalten und allein dadurch in das Blickfeld der Kameras gelangen. Dabei erkennbare Personen sind – anders als etwa bei einer bloßen Panorama-Aufnahme (Übersichtsaufnahme) – auch nicht lediglich nebensächlich oder Beiwerk (vgl. hierzu § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG bezogen auf ein Verbreiten oder Zurschaustellen). Sie sind schon wegen der hohen Frequentierung der betroffenen, sich zu bestimmten Zeiten gerade durch regen Publikumsverkehr auszeichnenden Bereiche und im Hinblick auf ihre Erkennbarkeit wesentlicher Bestandteil der Aufnahmen.
Die Aufzeichnungen der Webcams und die gleichzeitige Ermöglichung des Abrufens der Bilder über das Internet ist auch nicht durch § 6b BDSG gerechtfertigt, der als abschließende (bereichsspezifische) Regelung für die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume die allgemeinere Vorschrift des § 28 BDSG verdrängt9. Die Beobachtung durch den Vermieter unterfällt dem Regelungsgehalt des § 6b BDSG, dessen Anforderungen sie sowohl hinsichtlich der Erhebung der Daten (§ 6b Abs. 1 BDSG) als auch hinsichtlich deren Nutzung im Sinne des § 6b Abs. 3 BDSG, der die Beobachtung nach Absatz 1 als Datenerhebung kennzeichnet, nicht genügt.
Nach § 6b Abs. 1 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie
- zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
- zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
- zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
Die Aufzeichnungen durch die Webcams erfüllen das Merkmal des „Beobachtens“ im Sinne des § 6b Abs. 1 BDSG.
Unter diesem Merkmal ist die Sichtbarmachung von Geschehnissen und Personen mit Hilfe dazu geeigneter technischer Einrichtungen von einer gewissen Dauer – und damit eine Form des Überwachens – zu verstehen (nicht dagegen die Einzelaufnahme eines Bildes per Videotechnik – „shot“10), ohne dass die Datenerhebung eine von vornherein gezielte Beobachtung einzelner Personen voraussetzt. Erforderlich ist eine gewisse Zielgerichtetheit bei der Wahrnehmung äußerer Vorgänge mit optisch-elektronischen Geräten. Es kommt allerdings nicht darauf an, dass die Beobachtung das eigentliche Ziel oder auch nur der Hauptzweck der Tätigkeit ist. Ob eine Beobachtung vorliegt, bestimmt sich auch nicht nach einer bestimmten Motivation des Beobachtenden11. Es genügt, dass die Beobachtung des öffentlichen Raums eine (unvermeidliche) Nebenfolge des eigentlich Gewollten ist.
Ein „Beobachten“ im Sinne des § 6b BDSG kann auch bei bloßen Kamera-Monitor-Systemen als „verlängertes Auge“ ohne nachfolgende Aufzeichnung oder Auswertung des Bildmaterials gegeben sein12, jedenfalls aber in der vorliegenden Variante, dass die aufgezeichneten Bilder der Webcams über eine Homepage im Internet mitverfolgt und von Dritten bei Bedarf sogar gespeichert werden können.
Das Merkmal des „Beobachtens“ im Sinne des § 6b Abs. 1 BDSG setzt allerdings stets einen hinreichenden, zumindest zeitweise bestehenden Personenbezug voraus13. Wie bereits ausgeführt, werden im vorliegenden Fall auch personenbezogene oder zumindest personenbeziehbare Daten erhoben (insbesondere ist hier nicht etwa durch technische Vorkehrungen die Anonymität der aufgezeichneten Personen gewährleistet). Wie auch aus § 6b Abs. 4 BDSG folgt, kommt es für eine Überwachung allerdings nicht darauf an, inwieweit die verantwortliche Stelle zu einer Identifizierung von Betroffenen in der Lage ist oder diese überhaupt anstrebt14. Dies muss für den vorliegenden Fall schon deshalb gelten, weil nicht absehbar ist, in welcher Weise die Aufzeichnungen infolge ihrer freien Abrufbarkeit über das Internet ggf. auch von Dritten verfolgt oder genutzt werden.
Die Anwendbarkeit des § 6b BDSG kann demgegenüber nicht davon abhängen, ob das Beobachten eines öffentlich zugänglichen Raums mit optisch-elektronischen Einrichtungen auf die Überwachung der Betroffenen ausgerichtet ist15. Werden in dem beschriebenen Maße personenbezogene oder zumindest personenbeziehbare Daten erhoben, bleibt es auch dann bei der Einordnung als Videoüberwachung, wenn die Beobachtung eine lediglich (unvermeidliche) Nebenfolge des eigentlich Gewollten und die ungewollte Erfassung von Personen sogar unerwünscht ist16.
So unterfällt auch der Einsatz einer Wildkamera, mit deren Aufzeichnungen die Dokumentation und die Abschlussplanung des Wildes erleichtert werden sollen, in öffentlich zugänglichen Bereichen dem Anwendungsbereich des § 6b BDSG, sofern personenbezogene oder zumindest personenbeziehbare Daten erhoben werden und nicht etwa durch technische Vorkehrungen die Anonymität der möglicherweise aufgezeichneten Personen gewährleistet ist17. Auch dabei wird die in Kauf genommene Erhebung personenbezogener oder zumindest personenbeziehbarer Daten unerwünscht sein.
Der beobachte Bereich, der Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist, stellt zudem einen öffentlich zugänglichen Raum im Sinne des § 6b Abs. 1 BDSG dar.
Nach § 6b Abs. 1 BDSG könnte die Videoüberwachung (Beobachtung und Ermöglichung des gleichzeitigen Abrufs über das Internet) in den betroffenen öffentlich zugänglichen Bereichen hier allenfalls zur Wahrnehmung sonstiger berechtigter Interessen im Sinne der Nummer 3 gerechtfertigt sein, was jedoch nicht der Fall ist. Berechtigt im Sinne des § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist ein Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art, das von der Rechtsordnung nicht missbilligt wird und auf einen konkreten Nutzungs- oder Verarbeitungszweck gerichtet ist18. Danach kann sich der Vermieter im Hinblick auf die Aufzeichnungen der Webcams unter gleichzeitiger Ermöglichung des Abrufens der Bilder über das Internet zum Zwecke der Werbung und Information potentieller Urlaubsgäste über die aktuelle Situation im betroffenen Umfeld der Ferienwohnungen19 nicht auf berechtigte Interessen berufen20. Dies folgt schon daraus, dass es dafür keines Beobachtens im Sinne des § 6b BDSG bedarf und hier Zweck die Zugänglichmachung für Dritte über das Internet ist21
Selbst wenn man hier unterstellt, dass das geltend gemachte Interesse im Sinne des § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG berechtigt ist, kann sich der Vermieter deshalb nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG berufen, weil Anhaltspunkte für ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der von dem Beobachten betroffenen Personen bestehen.
Die Interessenprüfung gemäß § 6b Abs. 1 (und auch Abs. 3) BDSG erfordert eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Abwägung zwischen den durch die Zwecke der Videoüberwachung bestimmten grundrechtlich geschützten Positionen der Anwender von Videotechnik und den Interessen derjenigen, die vom Beobachten betroffen sind. Bei der Abwägung sind auf Seiten der verantwortlichen Stelle insbesondere die Zwecksetzung der Beobachtung sowie die sie begleitenden Umstände (vor allem deren technische Ausgestaltung) zu beachten, während auf Seiten der vom Beobachten betroffenen Personen in erster Linie das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in seinen Ausprägungen als Recht der informationellen Selbstbestimmung, des Rechtes am eigenen Bild sowie des Schutzes der Privatsphäre von Bedeutung ist. Hierbei sind alle Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich. Der Frage der Eingriffsintensität kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Das Gewicht des Eingriffs wird maßgeblich durch Art und Umfang der erfassten Informationen, durch Anlass und Umstände der Erhebung, den betroffenen Personenkreis und die Art und den Umfang der Verwertung der erhobenen Daten bestimmt. Je stärker das Maß der Beeinträchtigung durch die Beobachtungsmaßnahme ist, desto schutzwürdiger sind die Interessen der betroffenen Personen. Ein Überwiegen der Interessen der Betroffenen muss dabei nicht positiv festgestellt werden, es reicht aus, wenn Anhaltspunkte für ein Überwiegen dieser Interessen nicht ausgeräumt werden können22.
Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall ganz erhebliche Anhaltspunkte für ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der von der Videoüberwachung (Beobachtung unter Ermöglichung des gleichzeitigen Abrufs über das Internet) betroffenen Personen gegeben. Bildaufnahmen stellen grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar. Insbesondere kann hier nicht angenommen werden, dass der Auflösungsgrad der Bilder keine Bestimmbarkeit von Personen zulässt. Hinzu kommt, dass die erfassten Ausschnitte in ihrer Summe einen erheblichen Bereich der betroffenen Örtlichkeiten abdecken. Der Vermieter filmt das gesamte Geschehen in den betroffenen öffentlich zugänglichen Bereichen zudem permanent. Die großflächige und dauerhafte Beobachtung stellt schon für sich genommen einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, weil dadurch eine sehr große Zahl von Personen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird. Aufgezeichnet wird insbesondere, wann ein Betroffener sich allein oder in welcher Begleitung in den betreffenden Bereich bewegt oder aufgehalten hat. Erheblich verstärkt werden diese Eingriffe dadurch, dass zugleich die Abrufbarkeit der Aufzeichnungen über das Internet ermöglicht wird, so dass es sogar weltweit beliebigen Dritten überlassen bleibt, wie diese mit den Videoaufnahmen verfahren, insbesondere im welchem Umfang sie diese verfolgen oder sogar auswerten, speichern, weiterverarbeiten, ohne dass die Betroffenen etwas darüber erfahren23.
Die Tatsache der Videoüberwachung wird auch nicht in einem ausreichenden Maße offengelegt, was – ohne dass es hierauf noch entscheidend ankommt – die Eingriffsintensität noch erhöht. Der bloße Hinweis auf den am Grundstückszaun angebrachten Schildern, dass „der gesamte Hafenbereich und alle Anliegergrundstücke videoüberwacht werden“, genügt insoweit nicht.
Die Interessenabwägung würde im Übrigen nicht anders ausfallen, wenn man hier davon ausgeht, dass das Interesse des Vermieters im Sinne des § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG berechtigt ist, und nach der Wertung des Gesetzgebers die Videoüberwachung auch durch nicht-öffentliche Stellen im öffentlich zugänglichen Bereich zu den genannten Zwecken grundsätzlich zulässig ist und „lediglich“ unter dem genannten Vorbehalt steht.
Demgegenüber sind schützenswerte Interessen des Vermieters, die nicht auch mittels anderer Einstellungen der Webcams gewahrt werden können, nicht ersichtlich24
Im Ergebnis liegen damit auch die Voraussetzungen der „Erlaubnisnorm“ des § 6b BDSG nicht vor. Der Vermieter nimmt daher die Beobachtung der von seinen Kameras erfassten Bereiche des öffentlichen Raums nicht in Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben vor. Angesichts dieser Verstöße bei der Erhebung personenbezogener Daten sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm des § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG erfüllt.
Verwaltungsgericht Schwerin, Beschluss vom 18. Juni 2015 – 6 B 1637/15 SN
- vgl. dazu auch Scholz in Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 6b Rn. 67; Brink in Brink/Wolff, Datenschutzrecht, 1. Aufl., § 6b BDSG Rn. 40; OVG Lüneburg, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 – 43; VG Ansbach, Urteil vom 12.08.2014 – AN 4 K 13.01634 – 38[↩]
- Mitschnitt am Rechner auch unter Nutzung der Funktion „vergrößern“[↩]
- vgl. hierzu etwa Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl., § 6b Rn. 5a[↩]
- vgl. Bier/Spiecker gen. Döhmann, CR 2012, 610, 611[↩]
- vgl. auch Scholz in Simitis, a.a.O., § 3 Rn. 79[↩]
- vgl. Scholz in Simitis, a.a.O., § 6b Rn. 18; VG Ansbach, Urteil vom 12.08.2014 – AN 4 K 13.01634 – 39[↩]
- vgl. auch Scholz in Simitis, a.a.O., § 3 Rn. 99[↩]
- per Livestream[↩]
- vgl. hierzu etwa Gola/Schomerus, a.a.O., § 6b Rn. 3 m.w.N.[↩]
- vgl. Scholz in Simitis, a.a.O., § 6b Rn. 64[↩]
- vgl. Becker in Plath, BDSG, 1. Aufl., § 6b Rn. 11[↩]
- so Scholz in Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 6b Rn. 65; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl., § 6b Rn. 13; Becker in Plath, a.a.O., § 6b Rn. 13; vgl. aber auch Gola/Schomerus, a.a.O., § 6b Rn. 10, 10a[↩]
- vgl. auch Brink in Brink/Wolff, a.a.O., § 6b BDSG Rn. 37[↩]
- vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 6b Rn. 11[↩]
- so aber anscheinend Wrede, DuD 2010, 225, 228[↩]
- vgl. auch Onstein in Auernhammer, BDSG, 4. Aufl., § 6b Rn. 22; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, a.a.O., § 6b Rn. 14[↩]
- LG Essen, Urteil vom 26.06.2014 – 10 S 37/14 – juris m. zustimmender Anmerkung Albrecht, jurisPR-ITR 9/2015 Anm. 2; vgl. auch Dienstbühl, NuR 2012, 395, 397 f.; Mester, DuD 2015, 194[↩]
- vgl. Onstein in Auernhammer, a.a.O., § 6b Rn. 33; VG Berlin, Urteil vom 13.01.2014 – 1 K 220.12 – 22[↩]
- „eigenwerbende Panorama-Aufnahmen der Umgebung der Ferienwohnanlage“[↩]
- verneinend Scholz in Simitis, a.a.O., § 6b Rn. 78 auch für den Fall, dass potentiellen Gäste mit einer Übertragung von Bildern einer Webcam auf die Homepage eines Restaurants die Einschätzung ermöglicht wird, ob aktuell Plätze frei oder dort Bekannte anwesend sind[↩]
- vgl. auch Brink in Brink/Wolff, a.a.O., § 6b BDSG Rn. 51[↩]
- vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 6b Rn.19; Scholz in Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 23 und 92; OVG Lüneburg, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 – 63[↩]
- vgl. auch Scholz in Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 122[↩]
- vgl. auch Albrecht, jurisPR-ITR 9/2015 Anm. 2, wonach dann, wenn beim Einsatz von Wildkameras zu jagdlichen Zwecken personenbezogene Daten erhoben werden, „das Schutzinteresse der Spaziergänger, Pilzsammler, Jogger etc., als Waldbesucher in der freien Natur unbeobachtet zu sein“, dem jagdlichen Interesse regelmäßig vorgeht; ebenso Gola/Schomerus, a.a.O., § 6b Rn. 9a[↩]