Nur wenn der Adressat erkennen kann, was von ihm gefordert wird, gilt ein Verwaltungsakt als inhaltlich hinreichend bestimmt.
In einem jetzt vom Verwaltungsgericht Stuttgart entschiedenen Fall ging es um einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Bescheid, durch den der Antragsteller die politische Betätigung zugunsten der PKK sowie zu Gunsten der von dieser dominierten Organisationen untersagt worden ist.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart lassen die von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 10. Februar 2012 aufgeführten politischen Betätigungen des Antragstellers jedoch nicht in jedem Einzelfall erkennen, dass es sich hierbei um eine politische Betätigung zugunsten der PKK oder einer von dieser dominierten Organisationen gehandelt hat. So wird dem Antragsteller die Teilnahme an einer Solidaritätsveranstaltung am 29./30.05.2010 in Achern für die Eröffnung eines kurdischen Kulturvereins in Straßburg vorgehalten. In der Behördenakte finden sich jedoch keinerlei Belege, dass es sich bei dieser Veranstaltung um eine Unterstützungshandlung für die PKK gehandelt haben könnte. Weiter wird dem Antragsteller vorgehalten, er habe nach einem Artikel in der „Yeni Özgür Politika“ vom 14.06.2010 bei einer Veranstaltung in Rüsselsheim am 11./12.06.2010 eine Rede gehalten und darin ausgeführt, dass Dersim für die Kurden nach wie vor eine blutende Wunde sei und dazu aufgefordert, dass man sich intensiv darum kümmern müsse, damit aus Tunceli wieder Dersim gemacht werden könne. Inwieweit es sich bei dieser Aussage – deren Richtigkeit unterstellt – um eine Unterstützungshandlung zu Gunsten der PKK handeln sollte, wird im angefochtenen Bescheid nicht ausgeführt und ergibt sich auch nicht aus den Behördenakten. Im Übrigen hat sich die türkische Regierung im November 2011 für das in Bezug genommene Massaker aus dem Jahre 1937 ausdrücklich entschuldigt.
Die Antragsgegnerin hält dem Antragsteller im Bescheid vom 10. Februar 2012 weiter vor, er habe am 19.06.2010 im PKK-nahen „Kurdischen Kulturverein e.V.“ in Ludwigsburg anlässlich der Feier zum zehnjährigen Bestehen des Vereins eine Rede gehalten und das kurdische Volk zur Einheit aufgefordert. Abgesehen davon, dass in den Behördenakten keinerlei Belege im Hinblick auf diese Veranstaltung zu finden sind, ist offen, woraus die Antragsgegnerin schließt, dass gerade dieser Verein der PKK nahesteht. Weiter ist gegenwärtig nicht erkennbar, inwieweit es sich bei der vom Antragsteller gehaltenen Rede um eine politische Betätigung zu Gunsten der PKK gehandelt haben soll.
Im Bescheid vom 10. Februar 2012 heißt es weiter: „Für den 22.01.2011 wurden Sie in der Zeitung „Yeni Özgür Politika“ als Politiker-Schriftsteller an einem Symposium in Köln unter dem Titel „Was wollen die unterdrückten Völker und Minderheiten“, Veranstalter Sinif Teorisi-Auslandsvertretung, angekündigt“. Inwieweit es sich diesbezüglich um eine politische Betätigung zu Gunsten der PKK gehandelt haben könnte/sollte, wird von der Antragsgegnerin ebenfalls nicht dargelegt.
Der Bescheid vom 10. Februar 2012 hält dem Antragsteller als Beispiel einer politischen Betätigung zu Gunsten der PKK weiter vor, in der Ausgabe Nr. 156 vom Juli/August 2011 des „Kurdistan Reports“ sei ein Interview mit dem Antragsteller erschienen, in dem er unter anderem über seine Vermittlerrolle zwischen dem türkischen Staat und Abdullah Öcalan Ende der 90er Jahre berichtet habe; auch zur heutigen politischen Situation habe er Stellung genommen, hierbei aber immer von „die Kurden“ bzw. dem „kurdischen Volk“ gesprochen. Dieses Interview, das in den Behördenakten enthalten ist, dürfte jedoch als Beispiel für eine politische Betätigung des Antragstellers zugunsten der PKK ungeeignet sein. Der Antragsteller schilderte in dem Interview zunächst seinen eigenen Werdegang einschließlich seiner politischen Tätigkeit in der Türkei sowie die von ihm dort erlittene politische Verfolgung. Zum anderen führte der Antragsteller aus, welche persönlichen Kontakte zu Öcalan während seines Aufenthalts in der Türkei bestanden haben. Schließlich nahm der Antragsteller im Interview zur aktuellen Situation in der Türkei Stellung. Die vom Antragsteller geschilderten Fakten decken sich weitgehend mit den Erkenntnissen, die die Kammer aufgrund jahrelanger Zuständigkeit für Asylfälle aus der Türkei den verschiedensten Auskünften und Stellungnahmen zur Situation in der Türkei entnehmen konnte. Eine Verherrlichung der PKK oder eine Verniedlichung/Beschönigung ihrer in der Vergangenheit in der Türkei verübten terroristischen Anschläge finden sich im Interview nicht. Deshalb kann dieses Interview des Antragstellers in der Ausgabe Nr. 156 des „Kurdistan-Reports“ ersichtlich nicht als Beispiel für eine politische Betätigung zu Gunsten der PKK herhalten.
Schließlich wird dem Antragsteller als Beispiel einer politischen Betätigung für die PKK im Bescheid vom 10. Februar 2012 vorgehalten, er habe in einem Interview in der „Yeni Özgür Politika“, erschienen am 02. und 03.09.2011, Deutschland vorgeworfen, Kurden als Terroristen und Straffällige zu betrachten und er habe Deutschland aufgefordert, Initiativen für eine Lösung der Kurdenfrage zu ergreifen. Die in den Behördenakten zu findende auszugsweise Arbeitsübersetzung des LfV Baden-Württemberg in Bezug auf das besagte Interview gibt jedoch nichts dafür her, dass der Antragsteller sich mit diesem Interview zugunsten der PKK politisch betätigt hat. Er hat vielmehr lediglich in Form einer Meinungsäußerung zum Ausdruck gebracht, dass ihm persönlich in Deutschland Unrecht widerfahren sei. Als Beispiel für eine politische Betätigung zu Gunsten der PKK dürfte auch dieses Interview ungeeignet sein.
Angesichts der von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 10. Februar 2012 aufgeführten Veranstaltungen, die als Beispielsfälle für politische Betätigungen zu Gunsten der PKK herhalten sollen, tatsächlich jedoch in der überwiegenden Zahl keine politische Betätigung zu Gunsten der PKK erkennen lassen, ist für den Antragsteller als Adressat des streitgegenständlichen Bescheids nicht ersichtlich, was genau von ihm gefordert wird. Die Konkretisierung dessen, was geboten ist, muss bereits im Grundverwaltungsakt erfolgen und darf nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen bleiben.
Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob die Antragsgegnerin ihrer Ermessensentscheidung einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheids ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass es sich bei der von ihr im Bescheid vom 10. Februar 2012 ausdrücklich benannten Veranstaltungen um politische Betätigungen des Antragstellers zu Gunsten der PKK gehandelt hat. Dies ist indes in Bezug auf zahlreiche benannte Veranstaltungen zweifelhaft; auf die obigen Ausführungen kann diesbezüglich verwiesen werden. Damit spricht vieles dafür, dass das von der Antragsgegnerin ausgeübte Ermessen fehlerhaft ist.
Nach Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Februar 2012 liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 2 LVwVG nicht mehr vor, so dass auch im Hinblick auf Ziffer 3 des Bescheids vom 10.02.2012 (Androhung eines Zwangsgelds) die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist.
Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss vom 5. Juli 2012 – 11 K 732/12