Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit zwei heute verkündeten Urteilen die Umweltzone Hannover bestätigt und zwei Klagen einer Bewohnerin der Umweltzone und eines Seelzer Gewerbetreibenden, dessen Kunden in der Umweltzone ansässig sind, gegen die aus der Umweltzone folgenden Fahrverbote abgewiesen. Diesen Urteil vorausgegangen waren bereits im Dezember zwei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Beschlüsse, mit denen das Verwaltungsgericht Eilanträge der jetzigen Kläger gegen die aus der Umweltzone resultierenden Fahrverbote abgelehnt hatte.
In der Begründung der Beschlüsse aus dem Dezember 2008 sah das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Hauptsache-Klageverfahren durchaus noch als offen an und hatte die Eilanträge nur als Ergebnis einer Interessenabwägung mit der Begründung abgelehnt, dass beide Antragsteller – jedenfalls bis zum Ablauf des Jahres 2009 – nur in geringem Maße von den Fahrverboten betroffen sind und es ihnen deshalb zugemutet werden kann, den Ausgang ihrer jeweiligen Klageverfahren abzuwarten. Diese Einschätzung resultierte insbesondere auch daraus, dass die eine Antragstellerin als Bewohnerin der Umweltzone ist im Besitz einer bis Ende 2009 gültigen Ausnahmebewilligung war und der zweite Antragsteller, ein Seelzer Gewerbetreibender, für seine Fahrzeugflotte zum überwiegenden Teil über gelbe Plaketten verfügte und daher von den Fahrverboten der Umweltzone im Wesentlichen ebenfalls erst Ende 2009 betroffen sein wird. Insoweit ließen die Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes für die Hauptsacheverfahren noch alle Möglichkeiten offen.
Grundlage der Entscheidungen des Hannoveraner Verwaltungsgerichts war, dass die europa- und bundesrechtlich vorgegebenen Grenzwerte für die Feinstaubbelastung der Luft (PM10) im Stadtgebiet Hannover seit dem Jahre 2006 eingehalten werden. Im Jahr 2007 etwa ist der maßgebliche Grenzwert lediglich an acht Tagen überschritten worden (zulässig sind Überschreitungen an 35 Tagen). Dies ist im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Einrichtung der Umweltzone jedoch unschädlich, weil die Landeshauptstadt Hannover ihren Luftreinhalte-Aktionsplan in erster Linie zur Bekämpfung der zu hohen Stickstoffdioxidbelastung (NO2) aufgestellt hat und selbst davon ausgeht, dass die angeordneten Fahrverbote die Feinstaubbelastung nur marginal (etwa um 1%) verringern können. Für die Stickstoffdioxidbelastung, die zum weitaus größten Teil vom Straßenverkehr verursacht wird, sind ab 2006 ebenfalls europarechtlich vorgegebene Werte einzuhalten, die im Stadtgebiet Hannovers deutlich überschritten werden. Die Aufstellung eines Luftreinhalte-Aktionsplans ist deshalb gerechtfertigt.
Im Dezember sah das Verwaltungsgericht sieht die Erfolgsaussichten der Klageverfahren dennoch noch als offen an, weil die Richter im Eilverfahren nicht beurteilen konnten, ob die entsprechend der 35. BImSchV (Plakettenverordnung) gestaffelten Fahrverbote in der Umweltzone tatsächlich dazu führen können, die NO2 – Belastung zu vermindern. Bei der Beschlussfassung über die Umweltzone ging die Landeshauptstadt auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens davon aus, dass mit der Einrichtung der Umweltzone die Stickstoffdioxidbelastung um ca. 15% und damit spürbar gemindert würde. Ob diese Einschätzung, die die Einrichtung der Umweltzone rechtfertigen würde, zutreffend ist, vermochte das VG seinerzeit ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Auskünfte von Sachverständigen nicht zu beurteilen. Denn die zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens noch nicht in Kraft getretene und dem Sachverständigen daher nicht bekannte Plakettenverordnung wurde von der Bundesregierung in erster Linie zur Verminderung der Feinstaubbelastung konzipiert. Ob mit ihrer Hilfe in Umweltzonen – wie vom Sachverständigen angenommen – auch die NO2 – Belastung gesenkt werden kann, lässt sich ohne weitere Aufklärung nicht entscheiden, weil es Anhaltspunkte dafür gab, dass nachträglich eingebaute Partikelfilter, die nach der Plakettenverordnung zu einer günstigeren Einstufung der Fahrzeuge und dazu führen, dass solche Fahrzeuge von den Fahrverboten in Umweltzonen ausgenommen sind, den NO2 – Ausstoß des Fahrzeugs sogar signifikant erhöhen könnten.
Heute morgen nun fand die mündliche Verhandlung in den beiden Hauptsacheverfahren statt, in der auch die Sachverständigen gehört wurden. Und danach stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Luftreinhalteplan der Landeshauptstadt Hannover formell rechtmäßig und auch in der Sache gerechtfertigt ist. Die Landeshauptstadt Hannover ist aufgrund der Rechtslage verpflichtet, Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu ergreifen, wenn die Grenzwerte u. a. des NO2-Gehaltes der Luft überschritten werden. Dies ist nach dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung in Hannover der Fall.
Die von der Stadt Hannover gewählte Maßnahme der Umweltzone, in deren Folge Fahrzeuge mit einem bestimmten Schadstoffausstoß – nach Plaketten zeitlich gestaffelt – nicht mehr in die Umweltzone einfahren dürfen, ist nach Auffassung des Gerichts nach dem Ergebnis der heutigen Sachverständigenanhörung geeignet, die NO2-Belastung relevant zu reduzieren. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von Fahrzeugen, die über einen nachträglich eingebauten Rußpartikelfilter verfügen.
Als Alternativen zur Umweltzone stehen verkehrslenkende Maßnahmen – zum Beispiel die Optimierung der „grünen Welle“ – nicht zur Verfügung. Nach Bekundungen eines Verkehrssachverständigen reichen derartige Maßnahmen allein nicht aus, die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Die Erreichung dieses Ziels hat die Stadt Hannover jedoch sicherzustellen. Das Gericht hielt die Maßnahme auch konkret für verhältnismäßig. Es sah dabei durchaus die Härten, die für die Bürger und Betriebe eintreten, deren Fahrzeuge die Umweltzone nicht mehr befahren dürfen. Unter Berücksichtigung der dafür geschaffenen Härtefallregelung wird die Belastung nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichts jedoch so abgefedert, dass die Verhältnismäßigkeit insgesamt nicht in Frage gestellt wird. Dabei haben die Hannoveraner Verwaltungsrichter besonders gewichtet, dass die Stadt Hannover aufgrund der Rechtslage verpflichtet ist sicherzustellen, dass die normierten Grenzwerte eingehalten werden, und dass eine weniger belastende Alternativen zur Einrichtung einer Umweltzone derzeit nicht erkennbar sei.
Die Urteil sind noch nicht rechtskräftig, die Kläger können hiergegen Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einlegen, das Verwaltungsgericht hat die Berufung gegen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Verwaltungsgericht Hannover, Beschlüsse vom 4. Dezember 2008 – 4 B 5212/08 und 4 B 5288/08
Verwaltungsgericht Hannover, Urteile vom 21. April 2009 – 4 A 5211/08 und 4 A 5289/08