Die Kontenkündigung der Volksbank

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags nach Art.19 Abs. 1 AGB-Banken durch eine Genossenschaftsbank gegenüber einem Genossenschaftsmitglied zu befassen.

Die Kontenkündigung der Volksbank

Anlass hierfür bot ein Fall aus dem bayerischen Landkreis Rottal-Inn, in dem der klagende Kunde die Feststellung des Fortbestehens seiner Geschäftsbeziehung zu der beklagten Genossenschaftsbank begehrte. Der Bankkunde war Mitglied der Genossenschaftsbank und unterhielt bei dieser ein Girokonto, ein Kreditkartenkonto und ein Wertpapierdepot. Nr.19 Abs. 1 der in diese drei Verträge zwischen den Parteien einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Genossenschaftsbank lauten: 

Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen […]. Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (zum Beispiel laufendes Konto oder Kartenvertrag) und eines Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate.

Mit Schreiben vom 15.02.2021 erklärte die Beklagte die Kündigung der drei mit dem Bankkunden geschlossenen Verträge mit Wirkung zum 30.04.2021. 

Mit seiner Klage begehrte der Bankkunde die Feststellung, dass seine Geschäftsbeziehung zur Genossenschaftsbank bestehend aus dem Girokonto, dem Depot sowie dem Kreditkartenkonto weiterhin fortbestehe. Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Eggenfeld hat die Klage abgewiesen1, das Landgericht Landshut die Berufung des Bankkunden zurückgewiesen2. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies nun und wies die hiergegen gerichtete Revision des Bankkunden als unbegründet zurück:

Das Landgericht Landshut hat zutreffend angenommen, dass mittels Nr.19 Abs. 1 der AGB ein ordentliches Kündigungsrecht der Genossenschaftsbank auch gegenüber solchen Kunden, die gleichzeitig Mitglied der Genossenschaft sind, wirksam vereinbart ist. 

19 Abs. 1 der AGB der Genossenschaftsbank unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig, die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Hierunter fallen Regelungen über das Recht zur (ordentlichen) Kündigung3.

Die Klausel wird auch bei Verwendung durch die Beklagte im Verhältnis zu Kunden, die gleichzeitig Mitglied der Genossenschaft sind, nicht von der Bereichsausnahme für Gesellschaftsrecht (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB) erfasst. Denn wenn der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft nicht korporationsrechtlicher Art ist, sondern auf vertraglicher Grundlage beruht, spielt er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, sodass rein schuldrechtliche Beziehungen entstehen und das Mitglied der Genossenschaft insoweit wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt4. Dies ist hier angesichts der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge der Fall.

19 Abs. 1 der AGB der Genossenschaftsbank benachteiligt den Bankkunden nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Insbesondere liegt keine nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB relevante Abweichung vom gesetzlichen Leitbild vor, auch wenn die Klausel der Genossenschaftsbank ein Recht zur ordentlichen Kündigung unabhängig vom Vorliegen eines sachgerechten Grundes eröffnet.

Wie der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 15.01.20135 entschieden hat, ist das Giroverhältnis ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist. Da der Girovertrag Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, konnte er bis zum 1.11.2009, dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.07.2009, nach §§ 627, 675 BGB ordentlich gekündigt werden, ohne dass nach diesen Regelungen ein Kündigungsgrund angegeben werden musste oder gesetzliche Vorschriften eine längere Mindestkündigungsfrist verlangten. Auch nach Inkrafttreten des vorgenannten Gesetzes sieht § 675h Abs. 2 BGB für auf unbestimmte Zeit geschlossene Zahlungsdiensterahmenverträge ein (allerdings der Vereinbarung bedürftiges) Kündigungsrecht des Zahlungsdienstleisters vor, ohne Begründungspflichten für die ordentliche Kündigung einzuführen. Der von § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB vorgeschriebenen Mindestkündigungsfrist genügt die Regelung im letzten Satz von Nr.19 Abs. 1 der AGB der Genossenschaftsbank, die für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags, z.B. eines laufenden Kontos oder eines Kartenvertrags, eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Monaten vorsieht.

Das Depotverhältnis ist ebenfalls ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das neben dienstvertraglichen Merkmalen sein Gepräge durch verwahrungsrechtliche Elemente erhält und mangels Zeitbestimmung deshalb nach § 696 Satz 1 BGB grundsätzlich jederzeit auflösbar ist6. Die im letzten Satz von Nr.19 Abs. 1 der AGB der Genossenschaftsbank auch für die Kündigung eines Depots vorgesehene Mindestkündigungsfrist stellt sich als angemessen dar, weil sie dem Inhaber die Einrichtung eines Depots bei einem anderen Kreditinstitut ermöglicht.

Eine nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB relevante Abweichung vom gesetzlichen Leitbild lässt sich für den Bundesgerichtshof auch nicht mit einem Verweis auf §§ 2, 11 der Satzung der Genossenschaftsbank und §§ 1, 68 GenG begründen. 

Zwar besteht nach § 1 Abs. 1 GenG das Wesen einer Genossenschaft darin, dass ihr Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Dementsprechend bestimmt § 2 Abs. 1 der Satzung der Genossenschaftsbank, dass Zweck der Genossenschaftsbank die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder ist. Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung ist Gegenstand des Unternehmens der Genossenschaftsbank unter anderem die Durchführung von banküblichen und ergänzenden Geschäften, insbesondere die Durchführung des Zahlungsverkehrs sowie der Erwerb, die Veräußerung, Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren. § 11 der Satzung sieht vor, dass jedes Mitglied das Recht hat, nach Maßgabe des Genossenschaftsgesetzes und der Satzung die Leistungen der Genossenschaft in Anspruch zu nehmen.

Allerdings lässt § 2 Abs. 4 der Satzung auch die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Nichtmitglieder zu und der Geschäftsverkehr der Genossenschaftsbank mit ihren Mitgliedern beruht ebenso wie der mit Nichtmitgliedern auf vertraglicher Grundlage. Damit spielt er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, es entstehen insoweit rein schuldrechtliche Beziehungen und das Mitglied tritt der Genossenschaftsbank wie ein außenstehender Dritter gegenüber7. Daraus folgt, dass die Prüfung, ob Nr.19 Abs. 1 der AGB der Genossenschaftsbank einen Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1, 2 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ohne Rücksicht darauf vorzunehmen ist, ob der Kunde außerdem Mitglied der Genossenschaftsbank ist oder nicht.

Unabhängig davon können aber der Förderzweck der Genossenschaftsbank, die Rechte ihrer Mitglieder aus § 11 ihrer Satzung sowie die Regelung des § 68 GenG, nach dem ein Mitglied nur zum Schluss eines Geschäftsjahres und nur aus in der Satzung der Genossenschaft bestimmten Gründen ausgeschlossen werden darf, dazu führen, dass die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage von Nr.19 Abs. 1 der AGB im konkreten Einzelfall gegen § 242 BGB verstößt8.

Die Einhaltung der Voraussetzungen für die wirksame Kündigung der Verträge über das Girokonto und die Kreditkarte aus § 675h Abs. 2 BGB war im hier entschiedenen Fall nach den Feststellungen des Landgerichts Landshut nicht zweifelhaft und wird auch von der Revision nicht infrage gestellt.

Die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage von Nr.19 Abs. 1 der AGB der Genossenschaftsbank war auch nicht treuwidrig.

Nach den Feststellungen des Landgerichts Landshut ist die Kündigung nicht ohne sachlichen Grund, sondern wegen der Zerrüttung der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien erfolgt. Diese Feststellung wird von der Revision nicht konkret in Zweifel gezogen. Die Revision räumt sogar ein, dass in dem Kündigungsschreiben der Genossenschaftsbank vom 15.02.2021 von Entgleisungen und sehr unflätigen Bemerkungen des Bankkunden gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Genossenschaftsbank die Rede ist. Unter diesen Umständen kann ein Verstoß gegen § 242 BGB hier nicht damit begründet werden, dass die Beklagte mit einer ohne jeden sachlichen Grund erfolgten Kündigungserklärung nach freiem Belieben die Voraussetzung für den Ausschluss des Bankkunden aus der Genossenschaft wegen Nichtnutzung des Geschäftsbetriebs der Genossenschaft (§ 9 Abs. 1 Buchst. f) der Satzung der Genossenschaftsbank)) geschaffen habe. Außerdem kommt es für die Wirksamkeit der im Februar 2021 erklärten Kündigung nicht darauf an, ob der im November 2021 erklärte Ausschluss des Bankkunden aus der Genossenschaft den Begründungsanforderungen aus § 68 GenG9 bzw. aus § 9 Abs. 4 der Satzung der Genossenschaftsbank genügt. Der konkrete Fall weist schließlich keine anderen Besonderheiten auf, die nach den allgemein zu § 242 BGB entwickelten Grundsätzen die Kündigung als rechtsmissbräuchlich oder eine Kündigungsfrist von zweieinhalb Monaten als zu kurz bemessen erscheinen ließen10. Insbesondere hat der Bankkunde nicht vorgetragen, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, ein Girokonto, einen Kreditkartenvertrag und ein Depot bei einem anderen Kreditinstitut einzurichten.

Schließlich lässt sich eine Einschränkung des Kündigungsrechts der Genossenschaftsbank in Bezug auf das Girokonto des Bankkunden weder aus der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum „Girokonto für jedermann“ („ZKA-Empfehlung“)11 noch aus §§ 30 ff. ZKG herleiten. Mit Inkrafttreten der Regelung über das Basiskonto in diesen Vorschriften im Juni 2016 hat sich die ZKA-Empfehlung erledigt12. Auf §§ 30 ff. ZKG kann sich der Bankkunde schon deshalb nicht berufen, da sich weder aus den Feststellungen des Landgerichts Landshut noch aus dem Vortrag des Bankkunden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei den gekündigten Verträgen um Basiskontoverträge gehandelt hätte oder der Bankkunde die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrags aus §§ 31 ff. ZKG erfüllt hätte.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Oktober 2024 – XI ZR 50/23

  1. AG Eggenfelden, Urteil vom 13.04.2022 – 3 C 311/21[]
  2. LG Landshut, Urteil vom 03.03.2023 – 13 S 1346/22[]
  3. BGH, Urteil vom 15.01.2013 – XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 12[]
  4. BGH, Urteile vom 09.06.1960 – II ZR 164/58, NJW 1960, 1858, 1859; vom 08.02.1988 – II ZR 228/87, BGHZ 103, 219, 221 f.; und vom 02.12.2002 – II ZR 1/02, WM 2003, 292, 294[]
  5. BGH, Urteil vom 15.01.2013 – XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 14 f. mwN[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 11.12.1990 – XI ZR 54/90, WM 1991, 317, 318; MünchKommHGB/Einsele, 5. Aufl., Band 6 Bankvertragsrecht, Abschnitt Q Rn. 4 f.; Klanten in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 47 Rn. 5; Binder in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl., Kap. 38 Rn. 3[]
  7. vgl. BGH, Urteile vom 09.06.1960 – II ZR 164/58, NJW 1960, 1858, 1859; vom 08.02.1988 – II ZR 228/87, BGHZ 103, 219, 221 f.; und vom 02.12.2002 – II ZR 1/02, WM 2003, 292, 294[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013 – XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 25[]
  9. vgl. Holthaus/Papstein in Lang/Weidmüller, GenG, 40. Aufl., § 68 Rn. 24; Beuthien/Beuthien, GenG, 16. Aufl., § 68 Rn. 13[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013 – XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rn. 30[]
  11. vgl. dazu Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 47 Rn. 4 f.; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 2 Rn. 28 ff.[]
  12. Bunte, aaO Rn. 34; Büchel in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., Rn. 3.659[]

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