Eine Unfallversicherungsbedingung, nach der Krankenhaustagegeld bei einem Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten entfällt, schließt diesen Anspruch auch für den Aufenthalt in einer Rehaklinik aus.
Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof für einen Versicherungsvertrag, bei dem es in den zugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen in § 7 „Die Leistungsarten“ unter anderem heißt:
IV. Krankenhaustagegeld
(1) Krankenhaustagegeld wird für jeden Kalendertag gezahlt, an dem sich der Versicherte wegen des Unfalles in medizinisch notwendiger vollstationärer Heilbehandlung befindet, längstens jedoch für fünf Jahre vom Unfalltage an gerechnet.
(2) Krankenhaustagegeld entfällt bei einem Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten.
Eine Unfallversicherungsbedingung, nach der Krankenhaustagegeld bei einem Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten entfällt, schließt diesen Anspruch auch für den Aufenthalt in einer Rehaklinik aus1.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind2.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Versicherteninteresse bei Risikound Leistungsausschlussklauseln in der Regel dahin geht, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert3.
Auch nach diesem engen Maßstab erfasst die Klausel jedoch Aufenthalte in Rehakliniken.
Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs Rehakliniken und die in der Klausel genannten Sanatorien als vergleichbare Einrichtungen ansehen. Der ältere und früher üblichere Begriff des Sanatoriums wurde inzwischen teilweise durch den der Rehaklinik ersetzt. Die Rehaklinik ist daher ein Synonym des Sanatoriums4. Die Definition des Sanatoriums als „unter ärztlicher Leitung stehende Anstalt [in klimatisch günstiger, landschaftlich schöner Lage], in der chronisch Kranke oder Genesende behandelt werden“5, erfasst sowohl Rehakliniken als unter ärztlicher Leitung stehende Anstalten, in der Genesende behandelt werden, als auch speziellere, der „Kuranstalt“ näherstehende Einrichtungen in klimatisch günstiger Lage, die vor allem chronisch Kranken dienen.
Der Versicherungsnehmer wird erkennen, dass der Versicherer mit dieser Ausschlussklausel den Zweck verfolgt, medizinische Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden6. Der Aufenthalt in den dort genannten Einrichtungen ist typischerweise von längerer Dauer was gerade für die Gewährung von Krankenhaustagegeld erkennbar von Bedeutung ist und erschwert damit dem Versicherer die Feststellung, ob es sich bei der Behandlung des Versicherungsnehmers noch um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung der Unfallfolgen oder bereits um eine der allgemeinen Erholung dienende Maßnahme handelt, für die kein Versicherungsanspruch besteht. Diese Frage stellt sich für den Aufenthalt in einer Rehaklinik in gleicher Weise wie bei den anderen Einrichtungen dieser Gruppe.
Die so wird der Versicherungsnehmer erkennen in der Ausschlussklausel genannten Einrichtungen entsprechen auch in ihrer Funktion einer Rehaklinik. Kuroder Sanatoriumsbehandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen sind miteinander vergleichbar7. Die Anstalten für Kurund Sanatoriumsbehandlungen sowie für Rehabilitationsmaßnahmen bilden eine Gruppe, die sich deutlich von den Krankenhäusern unterscheidet8. Für ein Krankenhaus steht eine den Anforderungen an eine intensive und möglichst umfassende medizinische und ärztliche Betreuung und Behandlung entsprechende Ausstattung im Vordergrund9. Demgegenüber stellt die Durchführung einer Kuroder Sanatoriumsbehandlung hinsichtlich der Intensität des Einsatzes von medizinischem Personal und/oder beim Einsatz besonderer medizinischtechnischer Geräte geringere Anforderungen, als sie bei einer Krankenhausbehandlung vorauszusetzen sind10. Nach dieser Unterscheidung wird der Versicherungsnehmer auch Aufenthalte in Rehakliniken, in denen nach der ambulanten oder stationären Erstversorgung der Unfallverletzungen auf Kosten eines Sozialversicherungsträgers eine zusätzliche Behandlung zur Herstellung der vollen Leistungsfähigkeit erfolgt11, dem „Aufenthalt in einem Sanatorium“ in der Ausschlussklausel zuordnen.
Dem steht auch nicht entgegen, wenn der Aufenthalt in einer Rehaklinik wie hier für die streitgegenständliche Behandlung vorgetragen unter ärztlicher Überwachung stattfindet und auf einem umfassenden Behandlungsplan basiert.
Aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung zum Krankenhaustagegeld in § 7 – IV NBAAUB 95 wird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass auch in Sanatorien, Kuranstalten, Erholungsheimen und den ihnen gleichzusetzenden Rehakliniken medizinisch notwendige Heilbehandlungen wegen eines Unfalles durchgeführt werden. Ein Anspruch auf Krankenhaustagegeld kommt nach § 7 – IV Abs. 1 NBAAUB 95 nur für diese Behandlungen in Betracht. Die Ausschlussklausel in § 7 – IV Abs. 2 NBAAUB 95 wäre daher überflüssig, wenn in den davon erfassten Einrichtungen keine solche Behandlung stattfände. Eine Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit oder Unfallfolge verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her auf Heilung, Besserung oder Linderung der Krankheit abzielt12. Die Überwachung des Behandlungsverlaufs durch Ärzte oder ärztliche Visiten und Untersuchungen als Teil einer Heilbehandlung können daher entgegen der Ansicht der Revision auch in Einrichtungen stattfinden, die von der Ausschlussklausel erfasst werden.
Nach diesen Grundsätzen wurde im hier entschiedenen Fall der stationäre Aufenthalt in der Rehaklinik von dem Leistungsausschluss erfasst. Die Einrichtung, in der sich die Versicherungsnehmerin aufhielt, ist eine Rehaklinik. Sie bietet krankengymnastische und neophysikalische Therapieleistungen an.
Die Bezeichnung der Einrichtung als „Fachklinik für Onkologie/Hämatologie, Neurootologie, Rheuma tologie und Orthopädie“ ist dagegen für die Einordnung ohne Bedeutung. Die Firmierung einer Einrichtung lässt erfahrungsgemäß häufig ihren Charakter nicht mit Sicherheit erkennen; ausschlaggebend kann hier nur die objektive Sachlage sein13. Auch die Qualität oder Zertifizierung der Einrichtung ist für die Eigenschaft als Rehaklinik im Sinne der Versicherungsbedingungen ohne Belang. Der Anwendungsbereich der Ausschlussklausel berücksichtigt solche Merkmale nicht.
Desweiteren kann einer Anwendung des Leistungsausschlusses nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Behandlung der Versicherungsnehmerin in dieser Rehaklinik habe einer Krankenhausbehandlung entsprochen. Dabei kann offenbleiben, ob die Umstände der konkreten Behandlung gerade die wesentlichen Merkmale einer Krankenhausbehandlung ausmachen.
Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer wird aus dem Wortlaut der Klausel deutlich, dass der Leistungsausschluss jeden „Aufenthalt“ in einer bestimmten Art von Einrichtung erfasst und es nicht auf die Ausgestaltung der Behandlung im jeweiligen Einzelfall ankommt. Wie oben ausgeführt, soll die Regelung eine Leistung von Krankenhaustagegeld bei einem Aufenthalt in Einrichtungen, in denen sich Patienten nach einem Unfall typischerweise länger aufhalten als in einem Krankenhaus, generell ausschließen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Januar 2020 – IV ZR 240/18
- vgl. OLG Hamm NJW RR 1995, 1241 26]; Urteil vom 28.05.1993 20 U 23/93 34; ebenso für die ab AUB 99 verwendete Klausel „Kuren sowie Aufenthalte in Sanatorien und Erholungsheimen gelten nicht als medizinisch notwendige Heilbehandlung“: Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. AUB 2008 Ziff. 2.4 Rn.20; Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziff. 2.5 Rn. 4; Kloth, Private Unfallversicherung 2. Aufl. Abschn. H Rn. 21; Marlow in Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess 3. Aufl. § 12 Rn. 404; a.A. OLG Zwe ibrücken OLGR 2004, 595, 598 34][↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 09.05.2018 – IV ZR 23/17, r+s 2018, 373 Rn. 16; vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15, r+s 2017, 478 Rn. 26; vom 20.07.2016 – IV ZR 245/15, r+s 2016, 462 Rn. 22; vom 06.07.2016 – IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 17; vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 unter – III 1 b 14]; st. Rspr.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 06.03.2019 – IV ZR 72/18, NJW 2019, 1286 Rn. 26; vom 07.11.2018 – IV ZR 14/17, NJW 2019, 855 Rn. 31; vom 13.12 2006 – IV ZR 120/05, BGHZ 170, 182 unter – II 1 a 8]; st. Rspr.[↩]
- vgl. Duden Das Synonymwörterbuch, 5. Aufl. zu „Sanatorium“; siehe auch Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. AUB Ziff. 2.4 Rn.20[↩]
- vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl. zu „Sanatorium“[↩]
- vgl. zu diesem Zweck in der privaten Krankenversicherung BGH, Urteil vom 29.01.2003 – IV ZR 257/01, VersR 2003, 360 unter – I 2 a 14][↩]
- vgl. für die private Krankenversicherung BGH, Urteil vom 29.01.2003 – IV ZR 257/01, VersR 2003, 360 unter – I 2 b 16][↩]
- vgl. für die private Krankenversicherung BGH, Urteil vom 04.05.1983 IVa ZR 113/81, BGHZ 87, 215 unter – III 2 27][↩]
- vgl. für die private Krankenversicherung BGH, Urteil vom 05.07.1995 – IV ZR 320/94, VersR 1995, 1040 unter 2 b 10][↩]
- BGH, Urteil vom 05.07.1995 aaO 11][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.05.1983 IVa ZR 113/81, BGHZ 87, 215 unter – III 3 29][↩]
- vgl. zur Krankheitskostenversicherung BGH, Urteil vom 29.03.2017 – IV ZR 533/15, NJW 2017, 2408 Rn. 21[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.07.1971 – IV ZR 6/71, VersR 1971, 949 unter 4[↩]
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