Hat es ein Arzt in einem Krankenhaus behandlungsfehlerhaft versäumt, noch am Aufnahmetag einer Patientin einen Neurologen zur Beurteilung der Bildgebung der nativen Computertomographie hinzuzuziehen, wodurch bei dieser ein Hirnstamminfarkt zu spät behandelt wurde, haftet das Krankenhaus und der Arzt für den durch die schwerwiegenden Lähmungen später eingetretenen Tod der Patientin.
Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Hamm in dem hier vorliegenden Fall einer Schadensersatzklage stattgegeben, mit der der Sohn der verstorbenen Patientin Schmerzensgeld eingeklagt hatte. Die im Jahre 1934 geborene Patientin aus Dorsten wurde seitdem Jahre 2002 wegen Herzerkrankungen mehrfach stationär behandelt, u.a. im beklagten Krankenhaus in Dorsten in der Abteilung des ebenfalls beklagten Chefarztes. Mit einer Halbseitenlähmung wurde die Patientin im November 2005 als Notfall im beklagten Krankenhaus eingeliefert, in dem sie bewusstlos ankam und kurz darauf einen Krampfanfall erlitt. Am Tag der Aufnahme veranlassten die behandelnden Ärzte eine native Computertomographie, deren Bildgebung ohne Hinzuziehen eines Neurologen beurteilt wurde. Bei den an den nächsten Tagen abgehaltenden neurologischen Beratungen zeigte die Patientin das Bild eines Locked-in-Sydroms als Folge eines – anfangs nicht erkannten – massiven Hirnstamminfarkts. Die Patientin war wach, konnte hören, sehen und riechen, sich aber bis auf Augenbewegungen nicht bewegen. Dieser Zustand änderte sich bis zum Tode der Patientin im Juli 2006 nicht mehr.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm hätten es die behandelnden Ärzte der Beklagten behandlungsfehlerhaft versäumt, noch am Aufnahmetag einen Neurologen zur Beurteilung der Bildgebung der nativen Computertomographie hinzuzuziehen. Ein Neurologe hätte den massiven Hirnstamminfarkt der Patientin erkennen und dessen rechtzeitige Behandlung innerhalb des noch geöffneten 12-Stunden-Zeitfensters veranlassen müssen. Wäre dies unterblieben, läge ein grober Behandlungsfehler vor. Dieser Verlauf begründe im Prozess eine Beweiserleichterung zugunsten des Klägers. Die versäumte Behandlung der Patientin sei – so die im Verfahren gehörten medizinischen Sachverständigen – geeignet gewesen, ihre schwerwiegenden Lähmungen (Locked-in-Syndrom) und ihren späteren Tod hervorzurufen. Das sei den Beklagten anzulasten, weil sie nicht bewiesen hätten, dass die Patientin bei rechtzeitiger richtiger Behandlung identische Beeinträchtigungen erlitten hätte.
Der mit den von seiner Mutter erlittenen Beeinträchtigungen begründeten Schadensersatzklage des Sohnes hat das Oberlandesgericht mit einem Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro entsprochen.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12. August 2013 – 3 U 122/12