Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde und zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Befundträger lässt im Wege der Beweiserleichterung für den Patienten zwar auf ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis schließen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn ein solches Ergebnis hinreichend wahrscheinlich ist. Es geht zu weit, als Folge der Unterlassung medizinisch gebotener Befunderhebung oder Befundsicherung unabhängig von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Befundergebnisses eine Vermutung dahingehend anzunehmen, dass zugunsten des Patienten der von diesem vorgetragene Sachverhalt für den Befund als bestätigt gilt.
Grundsätzlich ist es Sache des klagenden Patienten, einen von ihm behaupteten Behandlungsfehler des Arztes nachzuweisen. Allerdings kommen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugunsten eines Patienten Beweiserleichterungen in Betracht.
Dies gilt etwa für den Fall, dass die gebotene ärztliche Dokumentation lückenhaft bzw. unzulänglich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Der Behandlungsseite obliegt es dann, die Vermutung zu widerlegen1.
Weiter reicht die Beweiserleichterung in der Regel aber nicht. Sie führt grundsätzlich weder unmittelbar zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges2 noch rechtfertigt sie den Schluss auf ein für den Patienten positives Befundergebnis im behaupteten Sinne3.
Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde und zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Befundträger lässt im Wege der Beweiserleichterung für den Patienten zwar auf ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis schließen. Dies ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nur dann der Fall, wenn ein solches hinreichend wahrscheinlich ist4.
Es geht danach zu weit, als Folge der Unterlassung medizinisch gebotener Befunderhebung oder Befundsicherung unabhängig von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Befundergebnisses eine Vermutung dahingehend anzunehmen, dass zugunsten des Patienten der von diesem vorgetragene Sachverhalt für den Befund als bestätigt gilt. Soweit das Berufungsgericht seine abweichende Auffassung auf die BGH-Entscheidung vom 21.11.19955 gestützt hat, hat es übersehen, dass der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung vom 13.02.19966 eine Einschränkung dahingehend formuliert hat, dass auf ein positives Befundergebnis nur zu schließen ist, wenn ein solches hinreichend wahrscheinlich ist7. Daran hält der Bundesgerichtshof fest.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Oktober 2019 – VI ZR 71/17
- vgl. BGH, Urteile vom 11.11.2014 – VI ZR 76/13, NJW 2015, 411 21; vom 14.02.1995 – VI ZR 272/93, BGHZ 129, 6, 10 13; vom 29.09.1998 – VI ZR 268/97, VersR 1999, 190 14; BGH, Beschluss vom 09.06.2009 – VI ZR 261/08, VersR 2009, 1406 Rn. 4; ferner Pauge/Offenloch, Arzthaftungsrecht, 14. Aufl., Rn. 514; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., B Rn. 247; jeweils mwN; vgl. auch § 630h Abs. 3 BGB[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 06.07.1999 – VI ZR 290/98, NJW 1999, 3408 13[↩]
- so aber Rehborn/Gescher in Erman, BGB, 15. Aufl., § 630h BGB, Rn. 27; ähnlich Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., D 395; anders ausdrücklich Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., S. 181[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 13.02.1996 – VI ZR 402/94, BGHZ 132, 47 16; vom 13.01.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 7; vom 03.11.1998 – VI ZR 253/97, VersR 1999, 231 16; vgl. auch MünchKomm-BGB/Wagner, 7. Aufl. § 630h Rn. 66; v. Harder, Die Beweisfigur des Befunderhebungsund Befundsicherungsfehlers im Arzthaftungsprozess nach der Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte, 2009, Seite 42[↩]
- BGH, Urteil vom 21.11.1995 – VI ZR 341/94, NJW 1996, 779 10[↩]
- BGH, Urteil vom 13.02.1996 – VI ZR 402/94, BGHZ 132, 47 10[↩]
- vgl. auch BGH, Urteile vom 13.01.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 7; vom 03.11.1998 – VI ZR 253/97, VersR 1999, 231 16; vom 29.06.1999 – VI ZR 24/98, BGHZ 142, 126 31; vom 06.07.1999 – VI ZR 290/98, NJW 1999, 3408 21[↩]