Es stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn ein Arzt nach der Entdeckung einer fehlenden Metallspitze nicht alle Patienten, die an diesem Tag operiert worden waren, nachuntersucht. Diese grobe Fahrlässigkeit kann zu einem höheren Schmerzensgeld führen.
Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Oldenburg in dem hier vorliegenden Fall einem Mann in zweiter Instanz ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 Euro zugesprochen. Ein Arzt im Landkreis Osnabrück hatte bei einem 46 Jahre alten Mann eine Knieoperation durchgeführt. Am Abend des Behandlungstages fehlte die Metallspitze des Operationsinstruments. Sie konnte in der Arztpraxis nicht aufgefunden werden. Der Arzt machte sich hierzu eine Notiz für den Fall, dass die Spitze bei einer Operation im Körper eines Patienten verblieben sein könnte. Einen Tag später stellte sich der Mann bei dem behandelnden Arzt zum Verbandswechsel und wieder ein paar Tage später zum Fäden ziehen vor. Etwa einen Monat nach der Operation meldete er sich wegen extremer Schmerzen erneut bei dem Arzt. Eine Röntgenuntersuchung ergab, dass bei der Operation die Metallspitze des Operationsinstruments tatsächlich im Knie verblieben war. Sie musste durch eine weitere Operation entfernt werden.
Das Landgericht Osnabrück sprach dem Mann ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,00 Euro zu. Die Tatsache, dass der Arzt, nachdem er am Abend das Fehlen der Metallspitze bemerkt hatte, nicht alle Patienten, die an diesem Tag operiert worden waren, nachuntersucht habe, stelle einen groben Behandlungsfehler dar.
Gegen diese Entscheidung riefen der Patient und der Arzt das Oberlandesgericht Oldenburg an. Der Patient strebte ein höheres Schmerzensgeld an, der Arzt wollte nur 7.500,00 Euro zahlen.
In seiner Entscheidung hat das Oberlandesgericht Oldenburg ausgeführt, dass ein höheres Schmerzensgeld auszusprechen sei, da der Mann einen dauerhaften Knorpelschaden mit erheblichen Schmerzen bei längerem Gehen und Stehen erlitten habe, was den vormals sportlich sehr aktiven Mann in seiner Lebensführung erheblich einschränke.
Insbesondere sei aber auch das ganz erhebliche Verschulden des Arztes zu berücksichtigen. Dieser habe am Abend der Operation das Fehlen der Metallspitze bemerkt und sich zunächst einmal damit abgefunden, dass einer seiner Patienten hierdurch erheblich verletzt werden könne. Weder beim Verbandswechsel noch beim Fädenziehen habe er es für nötig befunden, abzuklären, ob die Metallspitze im Knie des 46-Jährigen verblieben war. Erst nachdem die Spitze bereits Schäden verursacht und der Mann mit erheblichen Schmerzen erneut vorstellig wurde, sei der Arzt tätig geworden. Dem Arzt sei daher der Vorwurf jedenfalls gröbster Fahrlässigkeit zu machen. Dies mache eine deutliche Erhöhung des Schmerzensgeldes erforderlich. Aus diesen Gründen ist dem Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 Euro zugesprochen worden.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 24. Oktober 2018 – 5 U 102/18