Urteilsverkündung – und die Zustellung der Ausfertigung

Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Bis dahin liegt nur ein Entscheidungsentwurf vor, der allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugen kann1. Der Mangel der Verkündung kann jedoch durch die Zustellung der Ausfertigung des vollständigen und unterschriebenen, aber nicht verkündeten Urteils geheilt worden.

Urteilsverkündung – und die Zustellung der Ausfertigung

Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§ 112c Satz 1 BRAO, § 116 Abs. 1 VwGO). Die Verkündung muss protokolliert werden (§ 112c Satz 1 BRAO, § 105 VwGO, § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO).

Der undatierte, nur mit einer Paraphe versehene Vermerk des Vorsitzenden darüber, dass das Urteil am 3.06.von ihm verkündet worden sei, vermag das fehlende Protokoll, das auch nachträglich hätte gefertigt und unterschrieben werden können2, nicht zu ersetzen. Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 112c Satz 1 BRAO, § 105 VwGO, § 165 ZPO).

Der Mangel der Verkündung ist jedoch durch die Zustellung der Ausfertigung des vollständigen und unterschriebenen, aber nicht verkündeten Urteils geheilt worden.

Wird ein Urteil statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung durch Zustellung verkündet, liegt hierin zwar ein auf die Wahl der Verlautbarung beschränkter Verfahrensfehler3. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlass eines Urteils aber nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung des Urteils im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann.

Ein derartiger Fehler ist nicht gegeben, wenn dem Richter zwar die vorschriftsmäßige Verkündung misslingt, das Urteil aber mit seinem Wissen und Wollen zugestellt wird4. So lag es hier. Der Vorsitzende hat am 3.06.2013 verfügt, das Urteil dem Kläger gegen Zustellungsurkunde und der Beklagten „zur Kenntnis“ zustellen zu lassen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Februar 2015 – AnwZ (Brfg) 51/13

  1. BGH, Beschluss vom 14.06.1954 – GSZ 3/54, BGHZ 14, 39, 44; Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020; vom 24.09.2013 – I ZR 133/12, NJW 2014, 1304 Rn. 11[]
  2. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 116 Rn. 5[]
  3. BGH, Urteil vom 12.03.2004, aaO; vom 24.09.2013, aaO Rn.20[]
  4. BGH, Urteil vom 12.03.2004, aaO; Beschluss vom 13.06.2012 – XII ZB 592/11, NJW-RR 2012, 1025 Rn. 17; vom 21.06.2012 – V ZB 56/12, NJW-RR 2012, 1359 Rn. 14[]