Teilungsversteigerung – und der Schriftsatz des selbst beteiligten Rechtsanwalts

Ein Rechtsanwalt, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel (hier: Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung) einlegt.

Teilungsversteigerung – und der Schriftsatz des selbst beteiligten Rechtsanwalts

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um die Teilungsversteigerung von Grundstücken in München. Auf Antrag eines Mitgeigentümers hat das Amtsgericht die Zwangsversteigerung der Grundstücke zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft angeordnet; dem Verfahren ist der zweite Mitigentümer beigetreten. Gegen den vom Amtsgericht München festgesetzten Verkehrswert für die Grundstücke1 hat der zweite Eigentümer, Rechtsanwalt ist und über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) i.S.v. § 31a BRAO verfügt, mit einem per Telefax an das Amtsgericht übermittelten Schreiben sofortige Beschwerde eingelegt und die Abänderung der Wertfestsetzung beantragt. Zu dem Hinweis des Landgerichts München I, dass dieses die Beschwerde für unzulässig halte, weil sie nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sei, hat der Beschwerdeführer Stellung genommen und ausgeführt, er sei im vorliegenden Verfahren lediglich als Privatperson und nicht als Rechtsanwalt aufgetreten und tätig geworden. Das Landgericht München I hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen2. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Anwalts hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen:

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Landgericht München I nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässig. Zwar ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landgericht München I für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung bereits nicht statthaft ist, weil eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden kann; die Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall auch dann unzulässig, wenn das Landgericht München I sie eigens zur Klärung der Zulässigkeitsfrage zugelassen hat3. So liegt es hier aber nicht. Die sofortige Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung durch das Vollstreckungsgericht war gemäß § 74a Abs. 5 Satz 3, § 180 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Wenn die statthafte sofortige Beschwerde nicht fristgerecht in der vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist und damit unzulässig war, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet. Das Landgericht München I hat die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu Recht nach § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der von § 130d Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist. 

Der sachliche Anwendungsbereich des § 130d Satz 1 ZPO ist eröffnet.

Nach dieser Vorschrift sind schriftlich einzureichende Anträge, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Bei der Beschwerdeschrift handelt es sich um einen schriftlichen Antrag im Sinne dieser Vorschrift. Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung gem. § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle hätte eingelegt werden können, weil das Teilungsversteigerungsverfahren im ersten Rechtszug nicht dem Anwaltszwang unterliegt.

Wählt der Rechtsanwalt nicht diesen Weg, sondern entscheidet er sich für die Einreichung einer Beschwerdeschrift, kommt § 130d Satz 1 ZPO zur Anwendung mit der Folge, dass diese Beschwerdeschrift nur elektronisch eingereicht werden kann4.

Auch der persönliche Anwendungsbereich von § 130d Satz 1 ZPO ist eröffnet.

Die Vorschrift des § 130d Satz 1 ZPO erfasst zunächst unmittelbar den Rechtsanwalt, der als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter für eine Partei oder einen sonstigen Beteiligten einen Schriftsatz bei Gericht einreicht. Auf diesen eindeutigen Fall ist die Pflicht der Rechtsanwälte, für die Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zu nutzen (Nutzungspflicht), nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nicht beschränkt.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Pflicht zur elektronischen Übermittlung für Rechtsanwälte auch dann gilt, wenn sie berufsmäßig im eigenen Namen auftreten, etwa als Berufsbetreuer5 oder als Verfahrenspfleger6. Ebenfalls ist der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen verpflichtet, wenn er im Insolvenzverfahren Rechtsmittel einlegt7

Der Umstand allein, dass der Rechtsanwalt in eigener Sache tätig ist, ändert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich genommen an der Nutzungspflicht nichts. Tritt er im Verfahren als Rechtsanwalt auf, indem er seinen anwaltlichen Briefkopf verwendet und/oder der Unterschrift den Zusatz „Rechtsanwalt“ beifügt, dann ist er auch in einem ihn privat und persönlich betreffenden Verfahren zur elektronischen Einreichung verpflichtet8.

Nicht abschließend für alle in Betracht kommenden Konstellationen geklärt ist hingegen die hier maßgebliche Frage, ob ein Rechtsanwalt auch dann zur elektronischen Einreichung verpflichtet ist, wenn er in eigener Sache ausschließlich als Privatperson tätig wird und dies hinreichend deutlich nach außen kenntlich macht. Diese Frage stellt sich allerdings von vornherein nur in Verfahren, die insgesamt oder jedenfalls in Bezug auf bestimmte Verfahrensabschnitte nicht dem Anwaltszwang unterliegen. Denn in einem dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren bzw. Verfahrensabschnitt muss auch der in eigener Sache als Privatperson tätige Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht ohnehin entweder selbst als Rechtsanwalt auftreten oder sich durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Insoweit hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen, ob der als Rechtsanwalt zugelassene Betreuer oder Verfahrenspfleger auch dann zur Nutzung des ERV verpflichtet ist, wenn er seine Tätigkeit bewusst als Privatperson in eigener Sache oder ehrenamtlich entfaltet und – nach außen erkennbar – von seiner Stellung als Rechtsanwalt trennt9.

Geklärt ist aber, dass ein Rechtsanwalt, der in einem Zwangsvollstreckungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet ist, wenn er Rechtsmittel einlegt10. Damit hat der Bundesgerichtshof jedenfalls für diese Verfahren den Meinungsstreit in der Literatur, ob § 130d Satz 1 ZPO rollenbezogen11 oder statusbezogen12 zu verstehen ist, entschieden.

Der Bundesgerichtshof schließt sich dieser Entscheidung für das Teilungsversteigerungsverfahren an. Ein Rechtsanwalt, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel einlegt. Die von der Rechtsbeschwerde gegen die genannte Entscheidung erhobenen Einwände sieht der Bundesgerichtshof als nicht durchgreifend an.

Der Wortlaut des § 130d Abs. 1 ZPO („durch einen Rechtsanwalt“) schließt ein rollenbezogenes Verständnis zwar nicht aus, spricht aber eher für die Annahme, dass der persönliche Anwendungsbereich bei Rechtsanwälten statusbezogen zu verstehen ist. Denn der Rechtsanwalt wird nicht in seiner Rolle angesprochen („durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten“), sondern in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt. Eine Beschränkung auf den Fall der Vertretung einer Partei durch den Rechtsanwalt ergibt sich aus dem Wortlaut von § 130d Satz 1 ZPO jedenfalls nicht13.

Systematisch spricht ein Vergleich mit dem ebenfalls durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.201314 geschaffenen § 130a Abs. 1 ZPO für eine Anwendbarkeit auf den in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt. Während in § 130a Abs. 1 ZPO von Schriftsätzen der Parteien die Rede ist, die als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können, und damit womöglich ein Vertretungsverhältnis beim Handeln eines Anwalts gegenüber dem Gericht vorausgesetzt wird15, stellt § 130d ZPO in seiner amtlichen Überschrift auf eine Nutzungspflicht „für Rechtsanwälte“ und in seinem Satz 1 auf Schriftsätze, die „durch einen Rechtsanwalt“ eingereicht werden, ab. Dieser Vergleich legt die Annahme nahe, dass jedenfalls die Verpflichtung aus § 130d Satz 1 ZPO statusbezogen zu verstehen ist16.

Soweit die Rechtsbeschwerde meint, aus systematischen Gründen sei davon auszugehen, dass das beA ausschließlich für den beruflichen Bereich der anwaltlichen Tätigkeit gedacht sei, weil die Vorschriften zur Nutzung des beA in der Bundesrechtsanwaltsordnung (etwa in § 31a BRAO) die Berufsausübung des Rechtsanwalts beträfen und nicht seine private Tätigkeit, überzeugt dies nicht.

Schon die Prämisse, dass § 130d Satz 1 ZPO bei einem statusbezogenen Verständnis den Rechtsanwalt zur Nutzung des beA im privaten Bereich verpflichten würde, trifft nicht zu. Die Norm verpflichtet lediglich zur Übermittlung schriftlicher Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument. Hierfür stehen nach § 130a ZPO verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Zwar mag es für den Rechtsanwalt naheliegen, das ihm für seine berufliche Tätigkeit zur Verfügung stehende und aus der beruflichen Praxis geläufige beA auch in privaten Verfahren zu nutzen. Die leichte Verfügbarkeit dieser Übermittlungsform für Rechtsanwälte lässt die Nutzungspflicht unter dem Gesichtspunkt des Aufwandes und des einfachen Zugangs zur Rechtsmittelinstanz auch als nicht besonders schwerwiegenden Eingriff erscheinen. Eine Verpflichtung zur Nutzung des beA trifft ihn aber nicht. So ist es dem Rechtsanwalt, etwa wenn er eine Kenntnisnahme durch Kanzleimitarbeiter verhindern möchte, namentlich unbenommen, für die elektronische Kommunikation mit Gerichten in privat geführten Verfahren ein sog. De-Mail-Konto einzurichten und dieses unter den in § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu nutzen. Überdies steht es dem Rechtsanwalt, der die Nutzung des beA in privaten Angelegenheiten vermeiden will, in den hier allein relevanten, in erster Instanz nicht dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren frei, die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Im Übrigen lässt sich den auf das beA bezogenen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht entnehmen, dass das beA von dem Rechtsanwalt ausschließlich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit genutzt werden dürfte. Dies lässt sich auch nicht daraus schließen, dass das Gesetz zur privaten Nutzung schweigt, denn ein Verbot bedürfte – wenn es überhaupt zulässig wäre einer ausdrücklichen Regelung. Im Übrigen zeigt sich etwa an der in § 43 BRAO getroffenen Regelung über die allgemeinen Berufspflichten des Rechtsanwalts, dass sich aus der Stellung als Rechtsanwalt auch Pflichten im privaten Bereich ergeben können17. Soweit die Rechtsbeschwerde dem entgegenhält, solche Pflichten seien, soweit vom Gesetzgeber gewollt, ausdrücklich normiert, mag dies für den rein privaten Bereich zutreffen. Bei der Nutzungspflicht aus § 130d Satz 1 ZPO geht es aber von vornherein nur um Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt bei Gericht eingereicht werden, d.h. um eine Tätigkeit, die zwar im Einzelfall aufgrund der Betroffenheit in eigener Sache einen privaten Bezug haben mag, für sich genommen aber eine berufstypische Tätigkeit der Rechtsanwälte darstellt. Daher wäre im Gegenteil systematisch eher zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber als privat gekennzeichnete Schriftsätze von Rechtsanwälten in eigener Sache ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausnimmt, wenn dies gewollt gewesen wäre.

Anderes folgt auch nicht aus § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (= § 173 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF). Der Regelung ist kein allgemeiner Rechtsgedanke der Rollenbezogenheit der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr zu entnehmen18.

Der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich, wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, für die Beurteilung der Frage nach einer rollenoder statusbezogenen Nutzungspflicht des Rechtsanwalts nichts entnehmen19.

Entscheidend für ein weites, statusbezogenes Verständnis von § 130d Satz 1 ZPO spricht über seinen umfassenden Wortlaut hinaus der Zweck der Norm.

Der Zweck der Regelung besteht ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs darin, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte (und Behörden) zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den ERV zu etablieren. Die Rechtfertigung eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei einer freiwilligen Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scanaufwänden insbesondere bei den Gerichten führte. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn dann nicht die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung sichergestellt sei20

Dieser Gesetzeszweck lässt es nur konsequent erscheinen, anwaltliche Verfahrensbeteiligte, die ohnehin ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 31a BRAO), generell in die Nutzungspflicht einzubeziehen, also auch dann, wenn sie in dem Verfahren nicht im anwaltlichen Erstberuf tätig sind (vgl. zu § 14b FamFG BGH, Beschluss vom 31.05.2023 – XII ZB 428/22, NJW-RR 2023, 1233 Rn. 13; Beschluss vom 31.01.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn.20; zu Rechtsmitteln des anwaltlichen Insolvenzverwalters BGH, Beschluss vom 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 16). Dies gilt ebenso, wenn der Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird (vgl. zu § 52d Satz 4 FGO BFHE 276, 566 Rn. 3), und zwar jedenfalls für Rechtsmittel im Teilungsversteigerungsverfahren auch dann, wenn der Rechtsanwalt in dem ihn selbst betreffenden Verfahren nicht als Rechtsanwalt auftritt21.

Der Einwand, es hätte auf die Arbeitsbelastung der Gerichte keinen messbaren Einfluss, wenn von Rechtsanwälten privat geführte Verfahren, in denen sie nicht in beruflicher Funktion aufträten, von der Nutzungspflicht ausgenommen würden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn solche Verfahren nur etwa 0, 2 % der Gesamtzahl aller Gerichtsverfahren ausmachen sollten, hätte dies nicht zur Folge, dass die statusbezogene, von der konkreten Rolle im Verfahren unabhängige Einbeziehung der Rechtsanwälte in die ERV-Nutzungspflicht als eine zur Erreichung des gesetzlichen Zwecks des § 130d Satz 1 ZPO nicht geeignete oder nicht erforderliche Maßnahme anzusehen wäre. Denn auch eine Mehrbelastung der Gerichte mit in Papier zu bearbeitenden Verfahren durch entsprechenden Druck- und Scanaufwand von (lediglich) 0, 2 % liefe dem mit der Verpflichtung für alle Rechtsanwälte zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten verfolgten Ziel, solche Druck- und Scanvorgänge künftig zu vermeiden, zuwider. 

Dass der d“Hebel- und Multiplikatoreffekt“ der Nutzungspflicht für Rechtsanwälte in deren beruflicher Kommunikation mit den Gerichten größer ist als bei privat von Rechtsanwälten geführten gerichtlichen Verfahren, trifft zwar unbestreitbar zu. Weder dem Gesetz noch den Materialien lässt sich aber entnehmen, dass es dem Gesetzgeber allein auf diesen Effekt ankam. Der Umstand, dass Rechtsanwälte aufgrund ihres beruflichen Status ohnehin ein beA vorhalten müssen, spricht jedenfalls dafür, sie bei jeglicher Kommunikation mit den Gerichten der Nutzungspflicht zu unterwerfen, weil anderenfalls der mit dem Gesetz verfolgte Zweck in einer geringeren Zahl von Verfahren erreicht würde.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Differenzierung nach Rollen absehbar Rechtsunsicherheiten mit sich brächte, insbesondere wenn der Rechtsanwalt im Laufe des Verfahrens teilweise als solcher und teilweise als Privatperson auftritt. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Denn der Beschwerdeführer hatte sich zunächst selbst anwaltlich vertreten, sodann durch einen (anderen) Rechtsanwalt vertreten lassen und schließlich mitgeteilt, nur noch privat in eigener Sache tätig zu sein. Gleichwohl hat er die Beschwerdebegründungen – anders als die Beschwerdeschrift selbst – über sein beA bei Gericht eingereicht, nach eigenen Angaben „um dem Gericht und den anderen Beteiligten die elektronische Bearbeitung zu ermöglichen“ und „obwohl der Beschwerdeführer vorliegend nicht in Ausübung seines Berufes handelt“. Hier kann – weil es bei einem statusbezogenen Verständnis von § 130d Satz 1 ZPO nicht darauf ankommt – dahinstehen, ob die Würdigung des Landgerichts München I zutrifft, der Beschwerdeführer habe seine private und anwaltliche Tätigkeit im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend voneinander abgegrenzt. Jedenfalls belegen die geschilderten Abläufe beispielhaft, dass ein rollenbezogenes Verständnis von § 130d Satz 1 ZPO zu neuen Rechtsunsicherheiten führen würde, die sich mit einem statusbezogenen Verständnis vermeiden lassen. Diesen Unsicherheiten ließe sich zwar mittels einer Obliegenheit der Rechtsanwälte, hinreichend deutlich zu machen, dass sie ausschließlich privat auftreten, teilweise begegnen; ganz auszuschließen wären sie aber auch dadurch nicht. Die Annahme einer generellen Nutzungspflicht der Rechtsanwälte hat die Vorteile einer einfachen und klaren Regelung für sich.

Soweit vertreten wird, gerade die „Ausweitung“ des Anwendungsbereichs des § 130d ZPO auf den privaten Bereich eines Rechtsanwalts hätte erhebliche Rechtsunsicherheiten und Mehraufwand für die Gerichte zur Folge, da bei jedem einzelnen Beteiligten, der Schriftsätze nicht über das beA einreiche, von Amts wegen geprüft werden müsste, ob eine Zulassung als Rechtsanwalt vorliege, trifft dies so nicht zu. Zwar hat das Landgericht München I nach § 572 Abs. 2 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gericht verpflichtet wäre, auch ohne Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte von sich aus zu ermitteln, ob der das Rechtsmittel in Papierform einreichende Rechtsmittelführer über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt. Prüfung von Amts wegen bedeutet nicht Amtsermittlung der Tatsachen und Ausforschung der Wahrheit wie beim Untersuchungsgrundsatz, sondern nur eine umfassende Prüfung des dem Gericht vorliegenden oder offenkundigen Prozessstoffs22.

Auch ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung von § 130d Satz 1 ZPO dahingehend geboten, dass die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen auf ein privates Handeln des Rechtsanwalts (generell) keine Anwendung findet. Die gesetzliche Regelung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grund- und Menschenrechten, wenn sie dahin ausgelegt wird, dass er verpflichtet war, den Beschwerdeschriftsatz in dem ihn betreffenden Teilungsversteigerungsverfahren elektronisch an das Gericht zu übermitteln.

Ob die Verpflichtung des Rechtsanwalts, den ERV auch dann zu nutzen, wenn er als Beteiligter in einem ihn privat (also gerade nicht beruflich) betreffenden Teilungsversteigerungsverfahren ein Rechtsmittel einlegt, überhaupt in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit eingreift, kann dahinstehen. Jedenfalls wäre der Eingriff nicht unverhältnismäßig. 

Die Nutzungspflicht findet ihre gesetzliche Grundlage23 in § 130d Satz 1 ZPO. Dass die Vorschrift selbst keine Regelungen zum Status des Rechtsanwalts trifft, sondern diesen – insbesondere in der Bundesrechtsanwaltsordnung näher geregelten – Status voraussetzt, ändert nichts daran, dass sie eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Verpflichtung der Rechtsanwälte zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an Gerichte darstellt.

Bei dem auch mit § 130d Satz 1 ZPO verfolgten Ziel der Förderung des ERV, der Schaffung einer rechtssicheren und schnellen Kommunikation mit den Gerichten und der Kostenreduktion bezüglich Porto- und Druckkosten handelt es sich um vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls, die grundsätzlich geeignet sind, damit in Zusammenhang stehende Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen24.

Die Verpflichtung der Rechtsanwälte zur durchgängigen Nutzung des ERV ist zur Erreichung dieses Ziel geeignet und erforderlich und – jedenfalls soweit es um Rechtsmittel in Teilungsversteigerungsverfahren geht – auch angemessen. Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs, dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe wird die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt25. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Rechtsanwälte ohnehin verpflichtet sind, ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten (§ 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 31a BRAO), sodass die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung in privat geführten gerichtlichen Verfahren und namentlich bei Rechtsmitteln in Teilungsversteigerungsverfahren für sie im Vergleich mit der Einreichung in Papierform oder durch ein Telefax keinen zusätzlichen Aufwand und keine zusätzlichen Kosten verursacht bzw. verursachen muss. 

Soweit vertreten wird, es dürfte dem Arbeitgeber eines angestellten Rechtsanwalts nicht zumutbar sein, diesem die vorhandene Infrastruktur der Kanzlei für private Zwecke zur Verfügung zu stellen, trifft wiederum schon die Prämisse nicht zu, weil implizit unterstellt wird, der Rechtsanwalt könne nur über das bei dem Arbeitgeber eingerichtete beA Schriftsätze elektronisch an Gerichte übermitteln, was nicht der Fall ist. Ohne dass es darauf ankommt, handelt es sich im Übrigen bei der behaupteten Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber um ein bloßes Postulat. Ebenso erscheint denkbar, dass den Arbeitgeber, wenn der bei ihm angestellte Rechtsanwalt aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Anwaltschaft verpflichtet ist, den ERV auch in gerichtlichen Verfahren zu nutzen, an denen er in eigener Sache privat beteiligt ist, eine Verpflichtung zur Bereitstellung des beA für solche Nutzungen trifft.

Durch die Anwendung von § 130d Satz 1 ZPO im hier vorliegenden Fall wird auch nicht in unverhältnismäßiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und in den durch Art. 7 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) gewährleisteten Schutz seiner Privatsphäre eingegriffen. Soweit angeführt wird, dass ein Rechtsanwalt möglicherweise nicht verhindern könne, dass Kollegen, Mitarbeiter oder Angestellte von seinem privaten Verfahren erfahren, handelt es sich wiederum um eine bloße Behauptung bzw. Mutmaßung. Weder ist festgestellt noch wird Vortrag dazu aufgezeigt, dass es technisch und organisatorisch generell nicht möglich ist oder jedenfalls konkret für den Beschwerdeführer im hiesigen Verfahren nicht möglich war, solche unerwünschten Kenntnisnahmen bei der Nutzung des beA zu verhindern. Hierauf kommt es aber ohnehin nicht an, weil dem Rechtsanwalt – wie gezeigt – andere Übermittlungswege zur Verfügung stehen. Daher scheidet auch ein Verstoß von § 130d Satz 1 ZPO gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Recht des Rechtsanwalts auf den Schutz seiner personenbezogenen Daten aus Art. 8 GRC aus.

Soweit vertreten wird, es verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und den aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abzuleitenden Grundsatz der Waffengleichheit, wenn der Rechtsanwalt in seinem privaten Prozess zur Nutzung eines bestimmten Kommunikationsmittels gezwungen sei, während andere Privatpersonen diese Pflicht nicht hätten, teilt der Bundesgerichtshof diese Einschätzung ebenfalls nicht. Die Unterscheidung ist sachlich dadurch begründet, dass Rechtsanwälte aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit ohnehin technisch und organisatorisch in der Lage sein müssen, elektronisch mit den Gerichten zu kommunizieren. Weil diese Kommunikationsform zu ihrem beruflichen Alltag gehört, besteht auch kein Grund für die Annahme, sie könnten angesichts der Nutzungspflicht ihre prozessualen Rechte weniger effektiv wahrnehmen als nicht-anwaltliche Verfahrensbeteiligte. 

Die angeregte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG kam für den Bundesgerichtshof nicht in Betracht, weil der Bundesgerichtshof keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 130d Satz 1 ZPO hat. Auch eines Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedurfte es für den Bundesgerichtshof nicht. Es bestehen keine vernünftigen Zweifel an der Vereinbarkeit von § 130d Satz 1 ZPO mit Art. 7 und 8 GRC und der Datenschutzgrundverordnung.

Der Beschwerdeführer hätte die sofortige Beschwerde somit nach § 130d Satz 1 ZPO als elektronisches Dokument an das Gericht übermitteln müssen. Die erfolgte Übersendung per Telefax genügte nicht. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung26. Die Einreichung der sofortigen Beschwerde per Telefax war auch nicht ausnahmsweise gemäß § 130d Satz 2 ZPO zulässig. Dass es sich bei der sofortigen Beschwerde um eine Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO gehandelt hätte, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht und auch nicht aus sonstigen Umständen ersichtlich.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. März 2025 – V ZB 27/24

  1. AG München, Beschluss vom 04.09.2023 – 1514 K 105/21[]
  2. LG München I, Beschluss vom 22.05.2024 – 16 T 3887/24[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2022 – V ZB 71/21, NJW-RR 2022, 1533 Rn. 5[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 2255 Rn. 27 mwN[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 31.05.2023 – XII ZB 428/22, NJW-RR 2023, 1233 Rn. 9 zu § 14b Abs. 1 FamFG[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn. 16[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 6; zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesarbeitsgerichts BGH, Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 2255 Rn.20 f. mwN[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 15.12.2023 – AnwZ (Brfg) 10/23, NJOZ 2024, 253 Rn. 8 zu § 112c Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO; ebenso OLG Frankfurt, MDR 2024, 1541; LG Düsseldorf, BeckRS 2022, 33486 Rn. 24; BayObLG, BeckRS 2023, 25868 zu § 32d Satz 2 StPO; VG Berlin, FamRZ 2022, 1222 zu § 55d VwGO[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 31.05.2023 – XII ZB 428/22, NJW-RR 2023, 1233 Rn. 16; Beschluss vom 31.01.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn. 22[]
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 2255; dort: Widerspruch gegen die Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers, sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts[]
  11. so etwa MünchKomm-ZPO/Fritsche, 7. Aufl., § 130d Rn. 2; BeckOK ITRecht/Loos [1.01.2025], ZPO § 130d Rn. 2; zu § 14b FamFG: MünchKomm-FamFG/Pabst, 4. Aufl., § 14b Rn. 3; zu § 55d VwGO: Gädeke in Ory/Weth, jurisPK-ERV, 2. Aufl., VwGO § 55d Rn. 17[]
  12. so etwa BeckOK ZPO/von Selle [1.12.2024], § 130d Rn. 2; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 130d Rn. 3; zu § 52d FGO: Tipke/Kruse/Brandis, AO/FGO [10/2024], FGO § 52d Rn. 2[]
  13. vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 225 Rn. 23[]
  14. BGBl. I S. 3786[]
  15. vgl. hierzu MünchKomm-ZPO/Fritsche, 7. Aufl., ZPO § 130a Rn. 8a[]
  16. vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 14; Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 225 Rn. 23[]
  17. vgl. zum Begriff der sog. „Statuspflichten“ etwa Zuck in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 43 BRAO Rn. 7[]
  18. vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn. 18 entgegen ArbG Stuttgart, BeckRS 2022, 18879 Rn. 14[]
  19. vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 16; Beschluss vom 31.01.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn.19; Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 225 Rn. 24[]
  20. BT-Drs. 17/12634 S. 27[]
  21. vgl. allgemein zu Zwangsvollstreckungsverfahren BGH, Beschluss vom 04.04.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 225 Rn. 25[]
  22. vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1989 – V ZR 173/87, NJW 1989, 2064, 2065; BGH, Beschluss vom 12.02.2020 – IV ZB 29/18, FamRZ 2020, 768 Rn. 9 mwN[]
  23. vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 141, 82 Rn. 47[]
  24. vgl. allgemein zum beA BVerfG, NJW 2018, 288 Rn. 11 ff.[]
  25. vgl. zu diesem Maßstab BVerfGE 141, 82 Rn. 53[]
  26. vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2023 – IV ZB 7/22, NJW 2023, 1062 Rn 16 mwN[]

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